Arbeitsschutz

Gesund arbeiten trotz Hitze am Arbeitsplatz

24. Juli 2023 Hitze, Sommer, Arbeitsschutz
Hitze
Quelle: pixabay

Der Sommer 2023 hat bereits mit Hitzerekorden von sich Reden gemacht. Die nächste Hitzewelle ist für August angekündigt. Arbeitgeber müssen dies bei ihren Planungen berücksichtigen. Auch Betriebsräte bestimmen mit. Die große Checkliste zur Mitbestimmung beim Hitzeschutz von Beate Eberhardt, Redakteurin von »Gute Arbeit«.

Bei Hitze ist es wichtig, dass präventiv und rechtzeitig Schutzmaßnahmen in den Betrieben und Verwaltungen geplant und umgesetzt werden. Das Arbeitsschutzrecht ist seit Jahrzehnten präventiv angelegt und fordert, vorausschauend eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (§ 5 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG).

Hitzeperioden sind auch in Deutschland keine Überraschung mehr, sondern leidvolle Gewissheit. Damit gehen Gesundheitsgefährdungen durch zu hohe Temperaturen und UV-Strahlung einher, die rechtzeitig zu beseitigen sind. Planung heißt: Was ist ab welchen Temperaturen und ab welcher Intensität der Sonneneinstrahlung zu tun – mit einer Art Stufenplan.

Gesundheits- und Unfallgefährdung

Die Gründe sind zwingend, denn Hitze ohne Schutzmaßnahmen ist hoch belastend für den Organismus: Ab 37 Grad wird es kritisch für den menschlichen Körper, sein »Kühlsystem« ist überlastet und kann die extremen Temperaturen nicht mehr ausgleichen. In der Folge können Regulationsstörungen und Kreislaufprobleme auftreten. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Erschöpfung, Benommenheit und Verwirrtheit. Ein Kollaps ist nicht ausgeschlossen.

Der Körper versucht die Hitzebelastung zu kompensieren, es sinken in der Folge die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Die Unfallgefahr am Arbeitsplatz steigt, daher bestehen erhöhte Kontroll-, Aufsichts- und Entlastungspflichten durch den Arbeitgeber – nicht nur an den Arbeitsplätzen mit hohem Gefährdungspotenzial (Arbeit mit Elektrizität, Gefahrstoffen, komplexen Maschinen, kritische Anlagen etc.), aber an diesen besonders.

Fürsorgepflichten

Erkrankungen wie Hitze-Erschöpfung und Hitzschlag sind wahrscheinlicher. Wichtig sind Abkühlung und eine regelmäßige sowie ausreichende Flüssigkeitsversorgung, zusätzliche Hitzepausen und die Entlastung von Arbeitsaufgaben. Ohne Maßnahmen kann die Überhitzung tödlich enden.

Besonders gefährlich sind hohe Temperaturen für ältere und schwangere Beschäftigte oder Personen mit starkem Übergewicht und Vorerkrankungen. Sie sollten in den kühlsten Räumen der Arbeitsstätte eingesetzt werden. Fürsorgepflicht heißt auch: Es besteht präventiv der Bedarf, Maßnahmen zu planen und mit Beschäftigten zu sprechen, damit Arbeitgeber nicht mit leeren Händen dastehen, wenn die 30-Grad-Marke drinnen und draußen gerissen wird. – Das wäre fahrlässig.

Arbeitgeberpflichten

TOP-Prinzip und Gesundheitsprävention

Es gilt nach Arbeitsschutzgesetz (§ 4 ArbSchG) das TOP-Prinzip:

Vorrang haben stets technische Maßnahmen (T), die in der Regel mehr Personen und Arbeitsplätze erreichen: etwa Beschattung mit Belüftung, Sonnensegel, Klimaanlagen, Markisen etc. Auch Arbeitnehmer:innen im Freien (Baugewerbe, Zusteller:innen, Logistik) und Beamt:innen (Polizei, Ver- und Entsorgungsberufe) müssen sich vor der Hitze schützen, unterstellen und abkühlen können (belüftete, mobile Beschattungssysteme etc.).

In der Hierarchie folgen die organisatorischen Maßnahmen (O) des Arbeitgebers, die zumindest für einige Berufsgruppen Abhilfe schaffen können:

  • Welche Arbeitsaufgaben können verschoben werden oder vorübergehend wegfallen?
  • Können Beschäftigte (teilweise) in kühleren Innenräumen arbeiten?
  • Ist das Homeoffice eine Option, da es daheim kühler ist, oder ist der Arbeitsplatz in der Arbeitsstätte klimatisiert? Individuelle Maßnahmen sind möglich – unter Wahrung der Mitbestimmung (s. unten).
  • Stehen kühle Räume/Gebäude für Pausen zu Entwärmung bereit?
  • Kann der Arbeitsbeginn in die frühen Morgenstunden verlegt werden?

Zuletzt kommen Persönliche Schutzmaßnahmen (P), die z. B. aufgrund der UV-Strahlung – ergänzend – bedeutsam sind: lockere Kleidung, bei Outdoor-Workern Sonnenbrillen und Kleidung mit UV-Schutz, Sonnenmilch Faktor 50, Kopf- und Nackenschutz etc. (Prävention heller Hautkrebs). Die Beschäftigten im Freien cremen sich ein und nutzen die Kleidung und Ausstattung, die der Arbeitgeber bereitstellt. Aber: Die Kosten für diese Schutzmaßnahmen trägt der Arbeitgeber, er darf sie nicht den Beschäftigten auferlegen (§ 3 ArbSchG).

Arbeitsschutzrecht

Neben dem ArbSchG bietet die Arbeitsstättenverordnung mit den Arbeitsstättenregeln Orientierung und arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse, die eingehalten werden müssen. Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen.

Diese »schwammige Formulierung« (Rahmenvorschrift) eröffnet den Betriebsräten die Mitbestimmung bei allen Schutzmaßnahmen: bei den technischen, organisatorischen und den persönlichen Maßnahmen (TOP). Denn diese Rahmenvorschrift ist je nach Unternehmen, Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen zu konkretisieren und auszugestalten (§ 87 Abs 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Für die Raumtemperaturen konkretisiert die Arbeitsstättenregel ASR A3.5 Vorgaben, die auch in Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Sanitär- und Erste-Hilfe-Räumen sowie Unterkünften gelten. Diese Maßnahmen werden empfohlen – auf Grundlage der aktuellen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse.

Technische Maßnahmen

  • Effektive Steuerung des Sonnenschutzes, keine Überhitzung der Räume
  • Effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z. B. Nachtauskühlung)
  • Reduzierung der Lasten, z. B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben

Organisatorische Maßnahmen

  • Lüftung nachts und in den frühen Morgenstunden
  • Nutzung von Gleitzeitregelungen
  • Lockerung der Bekleidungsregeln
  • Organisation zusätzlicher Entwärmungspausen (Zeit, Ort).

Persönliche Schutzmaßnahmen

  • Bereitstellung von geeigneten Getränken
  • Wasser zum Abkühlen
  • Persönliche Schutzausrüstung (UV-Schutzaustattung, Sonnencreme etc.).

Maßnahmen nach Gefährdungslage

  • Arbeiten im Freien Hitze ist beim Arbeiten im Freien eine extreme Belastung, hinzu kommt die Gefährdung durch UV-Strahlung, die Ozonbelastung und schlechte bis extreme Witterungsbedingungen. Hier muss eine Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG ebenfalls präventiv langfristig geltende Maßnahmen festlegen. Bei über 26 Grad im Schatten müssen die Beschäftigten sich abkühlen und den Schatten aufsuchen können. Regelmäßige Kurzpausen und Wasser zum Abkühlen sind unerlässlich. Und: Nicht jede und jeder verträgt Wärme gleich gut!
  • Maßnahmen bei über 26 °C Nicht jeder Arbeitsplatz verfügt über eine Klimaanlage. Räume dürfen grundsätzlich eine Temperatur von 26 °C nicht überschreiten. Steigt die Außentemperatur über 26 °C und liegt die Raumtemperatur am Arbeitsplatz über 26 °C, müssen Arbeitgeber für gesundheitlich Vorbelastete oder für Beschäftige, die schwer arbeiten, für Entlastung sorgen.
  • Bei über 30 °C müssen Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, wie sie oben beispielhaft aufgeführt sind.
  • Bei über 35° C im Arbeitsraum müssen Arbeitgeber Maßnahmen wie für Hitzearbeit, z. B. in Gießereien, Stahlwerken oder Großbäckereien ergreifen: z. B. Hitzeschutzkleidung, Luftduschen, Wasserschleier oder weitere Entwärmungsphasen. Ansonsten dürfen Beschäftigte in dem Raum nicht mehr arbeiten.

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Zu beachten ist auch die Arbeitsmedizinische Regel (AMR) 13.1 »Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen können«.
 

Mitbestimmung

  • Betriebsräte haben ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht (Initiativrecht) bei den Regelungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Es ist wichtig, dass der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber (vorausschauend) eine Betriebsvereinbarung mit Hitze-Maßnahmen vereinbart. Das heißt: Nicht warten, bis die Beschäftigten die Hitze am Arbeitsplatz nicht mehr aushalten und gesundheitliche Schäden davontragen.
    • Regelungsinhalte betreffen das Arbeiten in einer Arbeitsstätte und im Freien. Kommt der Betriebsrat mit seinen Vorschlägen zur Bekämpfung bei hohen Temperaturen und Entlastung nicht weiter, kann er die Einigungsstelle anrufen.
  • Personalräte bestimmen über Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen mit (§ 75 Abs. 3 Nr. 11 Bundespersonalvertretungsgesetz - PersVG). Auch hier sind Dienstvereinbarungen über Schutzmaßnahmen bei Hitze zentral.
    • Wichtig: Die Mitbestimmung des Personalrats setzt ein, wenn die Dienststellenleitung aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ergreifen will.

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