Mitbestimmung bei agiler Arbeit

Darum geht es
Ein Großunternehmen lässt seit mehreren Jahren Projekte im Rahmen von so genannten agilen Scrum-Teams bearbeiten. Dabei bedeutet „agiles Arbeiten“, dass eine Gruppe oder ein Team weitgehend eigenverantwortlich Zeit und Ressourcen für ein bestimmtes Projektziel organisiert. „Scrum“ beschreibt das Vorgehen, wie ein Team aus prinzipiell gleichrangigen Fachleuten seine Arbeit organisiert. Beide Prinzipien stammen aus der Arbeitspraxis von Software-Entwicklern, lassen sich aber auch auf andere Tätigkeitsfelder übertragen.
Der Gesamtbetriebsrat meint, dieses Vorgehen sei mitbestimmungspflichtig, da es sich um eine Art von Gruppenarbeit handelt (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG). Bei Einführung der agilen Methoden wurde zunächst eine Pilot-Gesamtbetriebsvereinbarung geschlossen. Allerdings konnten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nach deren Ablauf nicht auf eine Anschlussregelung verständigen.
Das Unternehmen setzte seine die Praxis fort, Aufgaben an agile Projektteams zuzuweisen. Der Gesamtbetriebsrat beantragte bei Gericht, dem Arbeitgeber aufzugeben, die weitere Durchführung von agiler Gruppenarbeit zu unterlassen, bis eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden kann.
Das sagt das Gericht
Das Arbeitsgericht (ArbG) gab den Anträgen des Gesamtbetriebsrats überwiegend statt. Insbesondere habe das Gremium detailliert dargelegt, warum seine Mitbestimmungsrechte betroffen seien. Ob ein Arbeitsauftrag die Voraussetzungen von in diesem Fall teilautonomer Gruppenarbeit erfülle (§ 87 Abs. Nr. 13 BetrVG), hänge von der konkreten Arbeitsweise der einzelnen Gruppen ab.
Eine Gruppenarbeit im Sinne dieser Norm liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern im Rahmen des betrieblichen Arbeitsprozesses eine ihnen übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich wahrnimmt. Dies hat das Gerichts mit Blick auf den Sachvortrag des Betriebsrats im vorliegenden Fall bestätigt.
Bedeutung für die Praxis
Die Arbeit in so genannten eigenverantwortlichen Teams, nach agilen Methoden, dem Scrum-Prinzip oder anderen Organisationsmethoden, nimmt in vielen Unternehmen zu. Dabei wird oft tief in bisherige Arbeitsabläufe oder auch die Hierarchien der betroffenen Betriebe oder Unternehmen eingegriffen.
Hier sollten die Betriebsräte beteiligt sein und im Rahmen ihrer Mitbestimmungsrechte darauf pochen, dass es klare Regeln und Absicherungen gibt, damit einerseits die Zusammenarbeit funktioniert und andererseits Probleme, die das Management lösen müsste, nicht bei den Beschäftigten „abgeladen“ werden.
Der Betriebsrat, der ein Mitbestimmungsrecht durchsetzen will, muss konkrete Anhaltspunkte für dieses Mitbestimmungsrecht nennen, z. B. anhand der näheren Ausgestaltung der Arbeitsaufträge an die Projektteams. Denn – auch das betont das ArbG, ein bloß allgemeiner Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber agile Arbeiten ohne Mitbestimmung des Betriebsrats zu untersagen, wäre als Globalantrag unbegründet.
Lesetipp zur agilen Arbeit:
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Quelle
Aktenzeichen 3 BV 116/21