Whistleblowing

10 Fragen zum Hinweisgeberschutzgesetz

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Quelle: pixabay

Das Hinweisgeberschutzgesetz, das seit dem 17.3.2023 erneut im Bundestag ist, schützt Personen, die im beruflichen Kontext auf illegale Missstände hinweisen. Das Gesetz bedarf keiner Zustimmung des Bundesrats, nachdem die Regelungen für Beamte ausgeklammert wurden.

Die Koalition hat einen neuen Gesetzentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz eingebracht, nachdem der erste Entwurf im Bundesrat gescheitert war. Der neu eingebrachte Entwurf ist – bis auf die zustimmungspflichtigen Regelungen zu den Beamten – weitgehend identisch mit dem am 16.12.2022 vom Bundestag verabschiedeten Entwurf. Erst nach der zweiten und dritten Lesung kann er das Gesetz beschließen. Wenn der Bundesrat dann keinen Einspruch einlegt, ist das Gesetz verabschiedet.

1. Welche Verstöße können gemeldet werden?

Ein Hinweisgeber ist nach dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz (§ 2 HinSchG) geschützt, wenn er im beruflichen Umfeld auf folgendes hinweist:

  • Verstöße gegen Strafvorschriften (jede Strafnorm nach deutschem Recht),
  • Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (also Betriebs- und Personalräte!) dient. Dazu gehören Verstöße gegen Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes oder gegen das Mindestlohngesetz, aber auch gegen Bußgeldvorschriften, die Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten sanktionieren.

Achtung: Missstände, die weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit darstellen, sollen nicht in den Anwendungsbereich fallen. 

2. Wer kann Hinweisgeber sein?

Neben Beschäftigten, Leiharbeitnehmern, Werkarbeitnehmers und Praktikanten kommen als Hinweisgeber auch Lieferanten und Selbständige in Betracht. Der Kreis der geschützten Personen ist weit gefasst.

3. Welche Meldeverfahren gibt es?

Wer auf einen Missstand aufmerksam machen will, muss zwischen zwei Meldeverfahren wählen können, die gleichwertig nebeneinanderstehen. Unternehmen und Dienststellen müssen ein internes Meldeverfahren implementieren, wenn dies nicht schon existiert. Als interne Meldeverfahren kommen vor allem IT-gestützte Hinweisgebersysteme in Betracht. Zudem wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Solange die internen Meldewege nicht vollends vertrauenswürdig sind, ist die freie Wahlmöglichkeit für den Hinweisgeber von enormer Bedeutung (§§ 7, 16 Abs. 3 HinSchG).

4. Wie sieht es mit anonymen Meldungen aus?

Beide Meldeverfahren (intern und extern) müssen eine Option der anonymen Meldung vorsehen. Diese Regelung war lange umstritten, ist aber wichtig, um die Hemmschwelle für potenzielle Hinweisgeber abzubauen (§ 16 HinSchG).

5. Wie werden Hinweisgeber geschützt?

Die wichtigste Schutzmaßnahme ist das Verbot jeglicher Repressalien gegenüber dem Hinweisgeber. Weder der Arbeitgeber noch Dritte dürfen in Folge des Hinweises irgendwelche Druckmittel oder Sanktionen (Einschüchterung, Mobbing, Abmahnung, Kündigung etc.) gegen die hinweisgebende Person ergreifen. Dabei gilt eine Beweislastumkehr: Sobald die Repressalie zeitlich nach dem Hinweis liegt, wird vermutet, dass ein Zusammenhang mit dem Hinweis besteht. Derjenige, der die Repressalie ergriffen hat (also meist der Arbeitgeber), muss den Gegenbeweis antreten, dass kein Zusammenhang besteht. Sonst wird er oder sie schadensersatzpflichtig (§§ 36, 37 HinSchG).

6. Wie muss das interne Meldeverfahren ablaufen?

Wie das Verfahren abläuft, nachdem ein Beschäftigter einen Missstand oder Rechtsverstoß gemeldet hat, ist in § 17 HinSchG genau geregelt. Die interne Meldestelle

  • bestätigt der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen und prüft, ob der gemeldete Verstoß in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt,
  • hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt und prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung,
  • ersucht die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Informationen und ergreift angemessene Folgemaßnahmen.

Die interne Meldestelle gibt der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung, die auch die geplanten Folgemaßnahmen umfasst.

7. Welche Personen genießen Vertrauensschutz?

Vertraulichkeit des Hinweisgebers ist oberstes Ziel. Die Meldestellen müssen daher sicherstellen, dass die Identität des Hinweisgebers, aber auch der Personen gewahrt werden, die Gegenstand der Meldung sind. Ausnahmsweise treten die Ansprüche aus dem Datenschutzrecht zurück: Wird nämlich eine Person in der Meldung beschuldigt, hat diese (trotz eigentlich bestehender Ansprüche aus der DSGVO) kein Anrecht zu erfahren, dass gegen sie ein Schuldvorwurf erhoben wurde. Nicht geschützt wird, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße meldet (§ 9 HinSchG).

8. Sind bestimme Hinweise vom Schutz ausgenommen?

Für besonders „sensible“ Bereiche, bei denen Geheimhaltungsinteressen einer Meldung entgegenstehen können, hat die EU-Whistleblower-Richtlinie zwingend Ausnahmen vorgesehen, die 1:1 umgesetzt werden müssen. Nicht vom Schutz umfasst sind daher Informationen, die die nationale Sicherheit oder verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge betreffen, außerdem Verschlusssachen sowie solche Informationen, die dem richterlichen Beratungsgeheimnis oder der ärztlichen oder anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterfallen.

9. Für welche Unternehmen soll das Gesetz gelten?

Bereits ab einer Größe von 50 Beschäftigten sollen Betriebe nach dem Gesetzentwurf ( § 12 HinSchG) verpflichtet sein, eine interne Meldestelle für Hinweisgeber einzurichten, genauso öffentliche Arbeitgeber und Finanzdienstleister. Für Betriebe zwischen 50 und 249 Beschäftigten muss die Umsetzung bis zum 17. 12. 2023 erfolgen. Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten sollen innerhalb von drei Monaten handeln müssen.

10. Wie sieht es mit der Mitbestimmung aus?

Die praktische Umsetzung in den Betrieben und Dienststellen löst zahlreiche Beteiligungsrechte der Betriebs- und Personalräte aus. Implementiert der Arbeitgeber das sog. »interne Meldeverfahren«, wozu er nun verpflichtet ist, muss er die Gremien umfassend informieren. Da die Arbeitgeber bei der Ausgestaltung der Meldeverfahren weitgehend »freie Hand« haben, unterliegen sie der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Vor allem digitale Hinweisgebersysteme können nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht ohne enge Abstimmung mit den Betriebsräten eingerichtet werden, da in vielfältiger Hinsicht Überwachungsgefahren bestehen. 

Den ausführlichen Beitrag können Abonnent:innen hier in der »Computer und Arbeit« 3/2023 lesen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist Titelthema der März-Ausgabe von »Computer und Arbeit«. Dort findet Ihr folgende Beiträge:

Bettina Frowein: 10 Fragen zum Hinweisgeberschutzgesetz 

Thilo Weichert: Was das Hinweisgeberschutzgesetz bedeutet

Peter Wedde: Mitbestimmung beim Whistleblowing

Mattias Ruchhöft: Digitale Hinweisgebersysteme

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