Arbeitszeit

7 Fragen zur Arbeitszeiterfassung

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Quelle: iStock.com, coffeekai

In einer Grundsatzentscheidung hat das BAG klargestellt, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit aller Beschäftigten aufzeichnen müssen. Doch lange war unklar, wie das umgesetzt werden soll. Jetzt liegen die Entscheidungsgründe des BAG vor. Wir haben Rechtsanwalt Dr. Michael Bachner dazu befragt.

1. Gilt die Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung auch für AT-Beschäftigte/Beschäftigte mit Vertrauensarbeitszeit?

Ja, die Verpflichtung zur Zeiterfassung gilt auch für Mitarbeiter in Vertrauensarbeitszeit und auch für AT-Mitarbeiter, jedenfalls wenn sie in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats fallen. Das Bundesarbeitsgericht ist hier sehr klar und führt aus: »Die … Verpflichtung der Arbeitgeberinnen, ein System einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden, bezieht sich … auf alle in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.« Das sind alle Arbeitnehmer einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden.

Es wird allerdings interessant sein zu sehen, ob und welche Ausnahmen der bundesdeutsche Gesetzgeber – wenn er denn irgendwann einmal eine Entscheidung treffen wird – für die Erfassungsverpflichtung vorsehen wird. Diese Möglichkeit besteht. Nach europäischem Recht können die Mitgliedstaaten Ausnahmen für Arbeitnehmer einräumen, wenn die Dauer ihrer Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt ist oder von den Arbeitnehmern selbst bestimmt werden kann. Hier springt es geradezu ins Auge, an Arbeitnehmer im Außendienst oder in Vertrauensarbeitszeit zu denken. Allerdings dürfen auch solche Beschäftigte nicht schutzlos gestellt werden, denn auch wenn der Gesetzgeber zu einer Ausnahmeregelung greift, gelten auch für diese Arbeitnehmer nach wie vor die arbeitsschutzrelevanten Bestimmungen des ArbZG. Im Zweifel muss der Arbeitgeber also auch für diese Arbeitnehmer nachweisen, dass diese gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden (siehe zum Auskunftsanspruch des Betriebsrats Ziff. 6).

Jedenfalls aber derzeit gilt die Erfassungspflicht auch für Arbeitnehmer in Vertrauensarbeitszeit, häufig Berater, Außendienstmitarbeiter und vergleichsbare Berufsgruppen.

2. Welche Zeiten müssen denn erfasst werden? Nur die, die im betriebsüblichen Arbeitszeitkorridor anfallen, also sagen wir die Zeiten von Montag bis Freitag, 7.00 bis 19.00? Oder alle?

Die Pflicht, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, bezieht sich auf sämtliche (O-Ton BAG) Arbeitszeiten. Das folgt nach der Entscheidung des BAG aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG: »Bei unionsrechtskonformem Verständnis beinhaltet die gesetzliche Regelung auch die – grundsätzliche – Verpflichtung der Arbeitgeberinnen, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst.«

Was ist der Hintergrund? »Damit wird sichergestellt, dass die – den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bezweckenden – Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden. Nach Art. 3 und 5 der Arbeitszeitrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jedem Arbeitnehmer innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden und innerhalb eines Siebentagezeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich einer täglichen Ruhezeit von elf Stunden gewährt wird. Darüber hinaus verpflichtet Art. 6 Buchst. b der Arbeitszeitrichtlinie die Mitgliedstaaten, für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit eine – die Überstunden einschließende – Obergrenze von 48 Stunden vorzusehen.«

Die Verpflichtung zur Zeiterfassung bezieht sich also nicht nur auf die betriebsüblichen Arbeitszeiten, die z.B. in einem Gleitzeitkorridor anfallen. Erfasst werden müssen grundsätzlich alle Arbeitszeiten. Nicht ausreichend ist daher, wenn lediglich die Dauer der Arbeitszeiten an den Arbeitstagen erfasst wird, also z.B. Montag 6 Std, Dienstag 9 Std, Mittwoch 8 Std. usw.

Allerdings wird hier die Frage zu klären sein, was eigentlich als Arbeitszeit gilt. Eine gesetzliche Definition gibt es hier nicht. Nach § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die »Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen«. Dies führt zu der Frage, was als »Arbeit« zu gelten hat. Ein schwieriges Feld, wohl aber wird man sagen können, dass Arbeitszeiten i.S. des Arbeitsschutzes (und nur um solche  Zeiten geht es nach dem BAG-Beschluss bei der Zeitfassung) all diejenigen Tätigkeiten eines Arbeitnehmers sind, die der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts veranlasst (oder wissentlich duldet) und die auf unmittelbare Erfüllung der jeweiligen arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht gerichtet sind.

Hierzu zählen z.B. Dienstreisen dann, wenn der Arbeitnehmer auf der Reise selbst auch arbeitet, also wenn er z.B. auf Veranlassung des Arbeitgebers ein Fahrzeug steuert (bspw. im Außendienst) oder der Arbeitnehmer auf der Grundlage der vereinbarten Vertrauensarbeitszeit im Zug einen Termin vorbereitet. Das gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer lediglich als Beifahrer unterwegs ist oder im Zug einen Krimi liest. Fahrtzeiten sind in diesen Fällen Ruhezeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (Bahn- oder Flugreise ohne Arbeit, Beifahrer BAG v. 11.7.2006 - 9 AZR 519/05).

Ebenso wenig sind Tätigkeiten zu erfassen, die ein Arbeitnehmer außerhalb der geltenden Rahmenzeiten einer Betriebsvereinbarung leistet, ohne dass der Arbeitgeber diese Arbeiten angewiesen oder sie wissentlich geduldet hat, also in unserem Beispiel außerhalb der Rahmenzeit von 7.00 – 19.00. Diese Zeiten sind gerade nicht auf der Grundlage des Direktionsrecht bzw. einer Duldung des Arbeitgebers veranlasst und daher auch nicht arbeitsschutzrechtlich relevant.

Hier ergeben sich für die Tarif- und Betriebsparteien große Herausforderungen, denn die Frage, welche Zeiten überhaupt zu erfassen sind, ist denknotwendig zu klären, bevor ein Arbeitszeit-Erfassungssystem im Betrieb eingeführt wird.

3. Kann es nach der Entscheidung des BAG überhaupt noch Vertrauensarbeitszeit geben?

Mit Vertrauensarbeitszeit bezeichnet man die flexible Einteilung der täglichen Arbeitszeit durch den Beschäftigten. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitszeit weitgehend selbstverantwortlich gestalten und erhält damit mehr Freiraum. Die Kontrolle des Arbeitgebers beschränkt sich auf die eigentlichen Arbeitsergebnisse bzw. Leistungen des Arbeitnehmers. Dies werden häufig  in  Zielvereinbarungen festgelegt, die dann regelmäßig abgeglichen werden.

Das macht schon mehr als deutlich, dass sich Zeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit nicht gegenseitig ausschließen. Bei der Vertrauensarbeitszeit geht es ausschließlich um die autonome Arbeitszeiteinteilung durch den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer steuert seine Arbeitskraft selbstständig. Aus dem Wesen der Vertrauensarbeitszeit folgt also nicht, dass die Arbeitszeit nicht mehr zu erfassen ist. Dies zeigen die Beispiele vieler Betriebe, in denen in Vertrauensarbeitszeit gearbeitet und zugleich auch die Arbeitszeit erfasst wird.  Und das entspricht auch der Rspr. des BAG (23.9.2015 – 5 AZR 767/13): »Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen. Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.«

4. Kann der Arbeitgeber zwischen »erfassen« und »als Arbeitszeit rechnen/werten« unterscheiden? Kann der Arbeitgeber also sagen, er erfasst zwar alle Zeiten, aber er bewertet als Arbeitszeit nur diejenigen Zeiten, die im betriebsüblichen Korridor anfallen, also beispielsweise von Montag bis Freitag, 7.00 bis 19.00, aber nicht am Samstag, weil das nicht zu den regulären Arbeitstagen gehört?

Das BAG bezieht sich bei der Begründung der Zeiterfassungspflicht ausschließlich auf Arbeitsschutz relevante Arbeitszeiten (siehe Ziff. 3). Diese Zeiten müssen erfasst werden.

Grundsätzlich müssen diese Zeiten auch als Arbeitszeiten gewertet werden, z.B. wenn es um die Frage geht, ob diese Zeiten für Zeitausgleichstage im Rahmen eines Gleitzeitsystems genutzt werden dürfen. Diese Zeiten müssen dann auch im Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers gutgeschrieben werden. Nicht zu berücksichtigen sind aber Zeiten, die Arbeitnehmer unter Verstoß gegen bestehende Betriebsvereinbarungen geleistet hat, weil er z.B. auf eigene Veranlassung immer eine Stunde vor Beginn des Arbeitszeitrahmens im Büro erscheint, ohne dass der Arbeitgeber dies angewiesen oder wissentlich geduldet hat.

Bei dieser Frage sind aber auch wichtige Schnittstellen zu der Vergütungspflicht angesprochen. Vergütungspflichtig können z. B. Reisezeiten auch dann sein, wenn sie keine Arbeitszeiten i. S. des ArbSchG sind. Denn zu der vergütungspflichtigen Zeit zählt nicht nur die eigentliche, vertraglich geschuldete Tätigkeit (Hauptleistungspflicht), sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit des Arbeitnehmers, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt. So erfolgt die An- und Abreise zu einer auswärtigen Arbeitsstelle ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und ist daher ebenfalls wie Arbeit zu vergüten (BAG v. 17.10.2018 - 5 AZR 553/17), auch wenn sie außerhalb der gewöhnlichen/regulären Arbeitszeit liegt und auch wenn sie keine arbeitsschutzrelevante Arbeitszeit und daher nicht zwingend zu erfassen ist.

5. Muss die Arbeitszeit elektronisch erfasst werden?

Der Arbeitgeber ist zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten verpflichtet. Eine Verpflichtung, die Arbeitszeit elektronisch zu erfassen, besteht nach der Rspr. des BAG (leider) nicht. Es ist alles möglich: von der App bis zur handschriftlichen Aufzeichnung. Von einem »Stechuhr«-Urteil – wie man das seit der Entscheidung häufig abwertend gelesen hat – kann also mitnichten die  Rede sein. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass die elektronische Zeiterfassung die transparenteste Form der Zeiterfassung ist, was wohl der Grund dafür ist, dass sich viele Arbeitgeber so heftig dagegen wehren.   

6. Welche Auskunfts- und Mitbestimmungsrechte bei der Erfassung der Arbeitszeit stehen dem Betriebsrat zu?

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, weil es hier um eine Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes geht. Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich aber nicht auf das Ob der Zeiterfassung, denn diese Verpflichtung ergibt sich nach der Entscheidung des BAG schon aus § 3 ArbSchG. Wohl aber kann der Betriebsrat mitbestimmen darüber, wie die Arbeitszeit erfasst wird, papierhaft oder elektronisch, oder wie das entsprechende Erfassungs-Formular zu gestalten ist. Auch besteht ein Mitbestimmungsrecht z.B. bzgl. der Frage, bis wann die Arbeitnehmer die Arbeitszeit erfassen müssen, denn es liegt auf der Hand, dass dies möglichst in unmittelbarem Anschluss an die Arbeitsleistung erfolgen sollte, weil andernfalls die konkreten Arbeitszeiten in Vergessenheit geraten. Über diese Fragen kann ggf. auch die Einigungsstelle entscheiden.

Außerdem hat der Betriebsrat einen uneingeschränkten Informationsanspruch bzgl. der tatsächlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer. Schon 2003 hat das BAG (1 ABR 13/02) in einer leider in der Betriebsratspraxis oft übersehenen Entscheidung entschieden:

  • »Zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG benötigt der Betriebsrat im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten und der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit Kenntnis von Beginn und Ende der täglichen und vom Umfang der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer.
  • Der Arbeitgeber hat seinen Betrieb so zu organisieren, dass er die Durchführung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen selbst gewährleisten kann. Er muss sich deshalb über die genannten Daten in Kenntnis setzen und kann dem Betriebsrat die Auskunft hierüber nicht mit der Begründung verweigern, er wolle die tatsächliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer wegen einer im Betrieb eingeführten »Vertrauensarbeitszeit« bewusst nicht erfassen.«

7. Führt die Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung im Ergebnis nur dazu, dass die Arbeitszeit erfasst wird oder kann/muss man daraus Folgeschritte ableiten, denn nur das Erfassen ist ja noch keine Maßnahme, die den Arbeitsschutz verbessert?

Das ist richtig. Allerdings hat der Betriebsrat ein starke Rechtsstellung, wenn es um die Durchsetzung der jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit geht. Hier stehen ihm im Zweifel auch Unterlassungs-bzw. Durchführungsansprüche zu, wenn der Arbeitgeber bei Verstößen nicht entsprechend reagiert oder diese sogar selbst veranlasst (zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats siehe auch Ziff. 6).

Zuständig für die Kontrolle der Arbeitszeiten sind darüber hinaus in der Regel die Gewerbeaufsichtsämter. Diese prüfen, ob die Anforderungen an die Aufzeichnung der Arbeitszeiten im Unternehmen erfüllt sind. Falls nicht, werden sie den Arbeitgeber unter Fristsetzung auffordern, hier nachzubessern. Kommt ein Unternehmen dieser Aufforderung nicht nach, wird ein Bußgeld fällig.

© bund-verlag.de (is)

Im Gespräch mit

Bachner, Michael

Dr. Michael Bachner

Fachanwalt für Arbeitsrecht, schwegler rechtsanwälte. Bei Fragen zur Arbeitszeiterfassung wenden Sie sich gerne an den Autor unter bachner@schwegler-rae.de.
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