Betriebsratsarbeit

Als Betriebsrat resilient mit Krisen umgehen

18. Februar 2022
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Quelle: © Syda Productions / Foto Dollar Club

Wie kann ein Betriebsratsgremium angesichts der Herausforderung eines enormen Personalabbaus im Sinne der Beschäftigten agieren, handlungsfähig bleiben und mit den großen Belastungen resilient umgehen? Das beschreiben Simone Hocke und Erhard Tietel in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 2/2022.

In vielen Branchen findet gegenwärtig ein massiver Stellenabbau statt. Bei manchen Automobil-Zulieferern sind über 30 Prozent der bestehenden Arbeitsplätze vom Wegfall bedroht, die Beschäftigten sorgen sich um den Verlust ihrer Jobs und tiefe Einbrüche in ihre Lebensperspektive. Zwar gibt es auch jene Beschäftigte, die den technischen Neuerungen mit Neugierde und Elan begegnen. Aber gerade die langjährig Beschäftigten befürchten den sozialen Absturz und die drohende Altersarmut. Wer will sie, die einst als gut ausgebildeten Facharbeiterinnen und -arbeiter sozusagen die Avantgarde der Industriebeschäftigten bildeten, heute noch haben? Alles wird digital, Industrie 4.0 ist für sie keine Zukunftshoffnung, sondern eher ein Schreckgespenst. Seit Jahren schon beobachten sie in ihrer Firma das Anwachsen der indirekten Bereiche und die Zunahme junger Studierter in den Büros – zunehmend auch in den produktionsnahen Bereichen.

Auch wenn sie – gerade auch auf Anraten ihrer Interessenvertretung – bereit sind, sich weiterzubilden und sich für die künftigen Anforderungen der »Transformation« zu qualifizieren, ist ihnen nicht geheuer, wenn das Management vollmundig die Neuaufstellung der Firma preist: »Wir müssen jetzt schmerzliche Entscheidungen hinnehmen, wir sind aber für den Weltmarkt gut gerüstet und werden bald wieder ganz vorne mitspielen!« Kein Grund also, den Kopf in den Sand zu stecken?

Das passiert mit den Beschäftigten

Die psychologische Forschung hat herausgefunden, dass Menschen bei schmerzlichen Verlusten verschiedene Reaktionen zeigen, die grob in vier Phasen eingeteilt werden können. Dies kann man auch bei massiv drohendem Arbeitsplatzverlust beobachten und es erklärt ein Stück weit, warum Beschäftigte manchmal nicht so einfach für Gegenwehr zu mobilisieren sind. Betriebsräte sollten dies wissen, um sich auf die Stimmung unter den Beschäftigten einstellen zu können:

  • Phase 1: Nicht-wahrhaben-Wollen. Die Pläne des Unternehmens werden erst einmal gar an sich herangelassen. Es kommt zu einer Art von „Gefühlsschock“. Die drohenden Entwicklungen werden geleugnet und die eigenen Gefühle können nicht wahrgenommen werden. Manche hoffen, dass es sie schon nicht treffen wird. Es herrscht eine ‚Kopf in den Sand‘-Stimmung, die Informationen des Betriebsrats kommen nur wenig an.
  • Phase 2: Aufbrechende Emotionen. Nach einer gewissen Zeit brechen sich die Gefühle bahn: Beschäftigte schwanken zwischen Angst, Wut, Vorwürfen, Schuldsuche und Resignation. Da Geschäftsführungen hierauf meist nicht reagieren, bleibt es Aufgabe des Betriebsrats, sich diesen Gefühlen in Einzelgesprächen und in der betrieblichen Öffentlichkeit zu stellen. Ihre Aufgabe ist es, diese Gefühle zu verstehen und den Kolleg*innen nicht nur politisch, sondern auch emotional beizustehen. Auch wenn sie es nicht äußern, wird dies von den Beschäftigten sehr wohl wahrgenommen!
  • Phase 3: Der Ernst der Lage wird erkannt. Hier geht es darum, die Betroffenen dabei zu unterstützen, die unabwendbare Realität wahrzunehmen und sich ihr zu stellen. Zeigt der Betriebsrat im Betrieb Präsenz und steht für Gespräche zur Verfügung, hilft dies Beschäftigten dabei, die eigenen Gefühle ein Stück weit in den Griff zu kriegen, die Veränderungen zu verstehen und Unumgängliches ein Stück weit zu akzeptieren. Diese Phase ist wichtig, denn sie schafft Raum für die vierte Phase:
  • 4. Phase: Neuorientierung: Jetzt erst hat man Herz, Seele und Kopf zumindest wieder ein wenig frei und kann sich auf das besinnen, was man kann. Man kann überlegen, wie man sich weiterqualifizieren will und über berufliche Perspektiven nachzudenken.

Diese Phasen laufen natürlich nie rein ab, sie finden nicht überall zeitgleich statt, manche Kolleginnen und Kollegen durchlaufen diesen Zyklus mehrmals, manche bleiben in einer Phase verbittert hängen und sehen auch im Betriebsrat einen Sündenbock.

Wie können Betriebsräte den von Entlassungen Bedrohten politisch, sozial und emotional bei Seite stehen?

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob der Stellenabbau nicht abgewendet, stark eingeschränkt oder sozialverträglich gestaltet werden kann. Hierfür sind Betriebsräte – und vor allem ihre Gewerkschaften – gut gewappnet: Von harten Verhandlungen bis hin zu Mobilisierungsaktionen und lokalen Bündnissen, um den Arbeitgeber doch noch zum Einlenken zu bringen. Die Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten und deren Erfolge zeigen aktuell die Beispiele des Betriebsrätepreises 2021, beispielsweise die Preisträgerobjekte »Fabrik der Zukunft« bei Hauni, die Rekommunalisierung des Klinikums Peine, oder die erfolgreiche Aktion »Mondays for Jobs« der Kolleg:innen von WMF (https://www.bund-verlag.de/betriebsrat/deutscher-betriebsraete-preis). Mit Blick auf die Resilienzfaktoren sind hier Optimismus, Netzwerk-, Lösungs- und Zukunftsorientierung gefragt.

Resilienz lernen und stärken

Die Herausforderungen und Erwartungen an Betriebsräte sind in Transformationsprozessen vielfältig und widersprüchlich. Betriebsratsgremien müssen sich hier in einem ‚vielbeinigen‘ Spagat üben. Resilienzfähigkeit im Gremium ist dafür eine Basis. Die gute Nachricht ist: Resilienz kann erlernt und gestärkt werden.

Wie das gelingt und welche Ressourcen dafür notwendig sind, lest Ihr in dem Beitrag »Resilient mit Krisen umgehen« von Simone Hocke und Erhard Tietel in »Arbeitsrecht im Betrieb« 2/2022, ab Seite 10. Abonnenten können den Beitrag hier lesen.

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