Urlaub

Arbeitgeber darf Urlaub für Elternzeit kürzen

01. April 2019
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Quelle: © Robert Kneschke / Foto Dollar Club

Der gesetzliche Urlaubsanspruch besteht auch für Beschäftigte in Elternzeit. Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch aber kürzen. Die Kürzungsmöglichkeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ist auch mit dem Unionsrecht vereinbar. Von Bettina Krämer.

Die Arbeitnehmerin verlangt nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Zahlung von Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung. Sie war seit 2001 bei ihrer ehemaligen Arbeitgeberin beschäftigt und befand sich vom 01.01.2013 bis zum 15.12.2015 durchgehend in Elternzeit. Im März 2016 kündigte die Arbeitnehmerin selbst und beantragte für drei Monate Urlaub. Die Arbeitgeberin gestand ihr nur einen Monat Urlaub zu. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte die Arbeitnehmerin die Abgeltung für 89,5 Urlaubstage, die im Zeitraum ihrer Elternzeit angefallen waren. Die Arbeitgeberin kürzte den Urlaub wegen der Elternzeit und weigerte sich daher, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses die Urlaubsabgeltung auszuzahlen. Die Arbeitnehmerin wollte dies nicht hinnehmen und klagte auf Zahlung.

Das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht (LAG) und nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen.

Urlaub und Elternzeit

Erziehende Mütter und Väter können nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) Elternzeit beim Arbeitgeber beanspruchen. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis. Trotz alledem entstehen Urlaubsansprüche (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG). Diese hängen nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen und das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit weiter besteht. Allerdings darf der Arbeitgeber diesen Urlaubsanspruch dann durch eine formlose Erklärung »für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen« (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG).

Ungeklärte Frage des Urlaubsrechts nun entschieden

Die Frage, ob der Arbeitgeber den Urlaub in der Elternzeit tatsächlich nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG kürzen darf, hat das BAG nun entschieden. Ob die im BEEG vorgesehene Kürzungsmöglichkeit mit dem Unionsrecht vereinbar ist, war bisher eine der ungeklärten Fragen des Urlaubsrechts.

Nach Auffassung des BAG hat die Arbeitgeberin die Urlaubsansprüche der Klägerin aus der Elternzeit zu Recht gekürzt. Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstoße weder gegen Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der RL 2010/18/EU. Das Unionsrecht verlange nach der Rechtsprechung des EuGH nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben, so das BAG.

Pflichten des Arbeitgebers

Die Kürzung des Urlaubanspruchs tritt nicht automatisch ein. Es bedarf – so das BAG - einer Erklärung des Arbeitgebers. Dabei handelt es sich um eine auf die Kürzung gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung. Der Arbeitgeber kann sie auch noch nach Beendigung des Erziehungsurlaubs abgeben (BAG 28.7.1992 - 9 AZR 340/91). Sie muss nicht schriftlich sein, so dass in in der Praxis den meisten Fällen eine Erklärung vorliegen dürfte, in welcher Form auch immer. Es muss, so das BAG für den Arbeitnehmer nur erkennbar sein, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will.

Der Arbeitgeber muss die Kürzung erklären, bevor das Arbeitsverhältnis endet. Ansonsten verbleibt es bei dem vollen Urlaubsanspruch. Denn einen mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandenen Abgeltungsanspruch kann der Arbeitgeber nicht mehr nachträglich kürzen (so auch BAG, Urteil vom 28. Juli 1992, 9 AZR 340/91).

Praxistipp:

Die Entscheidung des BAG ist nachvollziehbar. Sie spricht zwar den Arbeitnehmern in Elternzeit keinen Urlaub zu, dies ist aber hinnehmbar. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses fußt auf der freiwilligen Entscheidung, Elternzeit zu nehmen. Der Fall der Elternzeit ist nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen Arbeitnehmer länger krank sind oder aber einem Beschäftigungsverbot unterliegen, etwa während der Schwangerschaft. In diesen Fällen ist richtigerweise keine Kürzung des Urlaubsanspruchs zugelassen, im Falle der Elternzeit hingegen doch.

Ausblick: Retten des tariflichem Mehrurlaubs möglich?

Die Pressemitteilung kündigt an, dass das BAG wohl einen Unterschied zwischen gesetzlichem Urlaub und einem vertraglichen/ tariflichem Mehrurlaub gemacht hat. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasse auch den vertraglichen Mehrurlaub, »wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben«.

Es gibt also Hoffnung, dass in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen eine anders lautende Regelung vereinbart werden kann, so dass der über den gesetzlichen Urlaub hinausgehende Urlaub dem Arbeitnehmer auch nach der Elternzeit noch zusteht. Schlussendlich ist Kindererziehung auch anstrengend und Urlaub manchmal von Nöten.

Lesetipp:

»Keine Kürzung der Urlaubsabgeltung wegen Elternzeit (BAG 19.5.2015 – 9 AZR 725/13)« erläutert von Daniel Staack in »Arbeitsrecht im Betrieb« 4/2016, S. 63.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (19.03.2019)
Aktenzeichen 9 AZR 362/18
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