Arbeitszeit

Arztbesuch nur bisweilen Arbeitszeit

07. August 2018
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Quelle: © Digitalpress / Foto Dollar Club

Ist ein Arbeitnehmer nicht akut krank, dann sollten seine Arztbesuche möglichst außerhalb seiner Arbeitszeit liegen. Nur wenn der Arzt keine anderen Termine vergeben kann oder will, muss der Arbeitgeber den Arztbesuchs als Arbeitszeit bezahlen. Tarifverträge können Abweichendes regeln. Von Margit Körlings.

Der Kläger arbeitet Montag bis Donnerstag von 7:15 Uhr bis 16.15 Uhr und Freitag von 7:15 Uhr bis 13.00 Uhr. Am 26.4.2016 nahm er in der Zeit von 10:00 Uhr bis 11:45 Uhr einen Arzttermin beim Orthopäden wahr. Dafür wurden ihm vom Arbeitszeitkonto 1,5 Stunden abgezogen. Der Arbeitnehmer verlangt die erneute Gutschrift dieser Stunden. Einen Termin außerhalb der Arbeitszeit wurde ihm vom Arzt nicht angeboten. 

Im auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag heißt es unter anderem zur Arbeitsverhinderung: »In Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis wird das Entgelt nur für unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von vier Stunden, fortgezahlt.«

Freistellung für Arztbesuch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits 1984 entschieden, dass ein unverschuldetes Arbeitsversäumnis bei einem Arztbesuch vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nimmt (BAG 19.02.1984, 5 AZR 92/82).

Der Arbeitnehmer befindet sich dann in einem Konflikt. Auf der einen Seite ist er zur Arbeitsleistung verpflichtet, auf der anderen Seite will er den Arzt wegen seiner gesundheitlichen Probleme aufsuchen.

Bezahlte Freistellung ist die Ausnahme

Grundsätzlich haben Arztbesuche außerhalb der Arbeitszeit statt zu finden. Zumindest muss der Arbeitnehmer versuchen, die Arbeitsversäumnis zu vermeiden. Er muss also um einen Behandlungstermin  außerhalb der Arbeitszeit bitten.

Der Anspruch auf bezahlte Freistellung wird auf § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gestützt. Der Vergütungsanspruch besteht weiter, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Bei Arztbesuchen muss dieser Besuch notwendig sein. Das ist sicherlich bei Untersuchungen, bei denen man nüchtern sein muss der Fall. Auch akute Zahnschmerzen oder eine Verletzung machen einen Arztbesuch notwendig. Sonstige Routineuntersuchungen gelten als nicht notwendig. Diese dürfen dann nur außerhalb der Arbeitszeit erfolgen.

Meldet sich ein Arbeitnehmer krank und bestätigt der Arzt die Arbeitsunfähigkeit, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung für sechs Wochen nach § 3  Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Geht er zum Arzt und wird nicht krankgeschrieben, gilt das oben Gesagte.

Ein Arztbesuch kann während der (bezahlten) Arbeitszeit stattfinden:

  • wenn sonst kein Termin möglich ist
  • bei notwendigen, akuten Fällen

Im vorliegenden Fall ist im Tarifvertrag geregelt, dass ein Arbeitnehmer bis zu vier Stunden am Tag bei unverschuldeter Arbeitsversäumnis der Arbeit fernbleiben darf und dies bei Fortzahlung der Vergütung. Daher hat der Kläger hat gewonnen. Der Anspruch auf Gutschrift der 1,5 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto bestand, da ihm kein Termin außerhalb der Arbeitszeit angeboten wurde.

Das Urteil ist rechtskräftig. Der Arbeitgeber hatte noch Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt, diese aber zurückgenommen (BAG, Aktenzeichen 5 AZR 216/18).

Hinweis für die Praxis

Keine Freistellung für Teilzeitbeschäftigte oder bei Gleitzeit

Teilzeitbeschäftigte oder Arbeitnehmer mit Gleitzeitanspruch haben in der Regel keinen Anspruch darauf, einen Arzt mit bezahlter Freistellung während der Arbeitszeit aufzusuchen. Es sei denn, es ist akut erforderlich.

Was gilt bei Krankheit eines Kindes?

Ist ein Kind erkrankt, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung. Ist das Kind krank, kann man mit diesem zum Arzt gehen. Voraussetzung ist, dass das Kind nicht älter als zwölf Jahre ist, der Arzt die Krankheit bestätigt und keine andere im Haushalt lebende Person das Kind betreuen kann. Aber auch dann gibt es keine Bezahlung vom Arbeitgeber, sondern Krankengeld von der Krankenkasse, begrenzt auf 90 Prozent vom Netto. Dies ergibt sich aus § 45 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Freistellung bei nahen Angehörigen

Will ein Arbeitnehmer seinen kranken Ehegatten zum Arzt begleiten, muss man auf einen wohlwollenden Chef hoffen. Es sei denn, eine Begleitung ist zwingend erforderlich, dann kann man als Begleitperson dabei sein. § 2 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) bestimmt, dass ein Arbeitnehmer bis zu zehn Tagen der Arbeit fernbleiben darf, wenn dies erforderlich ist, um einen pflegebedürftigen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.

Nahe Angehörige sind Ehegatten, Kinder, Geschwister und eingetragene Lebenspartner.

Der Arbeitgeber muss dann das Entgelt fortzahlen, soweit sich eine solche Verpflichtung aus anderen gesetzlichen Vorschriften oder auf Grund einer Vereinbarung ergibt. Dies kann § 616 BGB, ein Tarifvertrag, eine Individualvereinbarung oder eine Betriebsvereinbarung sein.

Ganz wichtig ist, in jedem Fall den Arbeitgeber so schnell als möglich vom Fernbleiben von der Arbeit zu informieren.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Niedersachsen (08.02.2018)
Aktenzeichen 7 Sa 256/17
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 8.8.2018.
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