Versetzung

Aushelfen an der Kasse ist Versetzung

20. August 2019
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Quelle: www.pixabay.com/de

Auch wenn der Chef Arbeitnehmern nur für kurze Zeit neue Aufgaben zuweist, kann eine Versetzung vorliegen. Dies setzt voraus, dass sich die Arbeitsumstände erheblich ändern, etwa durch den vermehrten Kundenkontakt als Aushilfe an einer Kasse. Einen Unterlassungsanspruch gegen die Versetzung hat der Betriebsrat dennoch nicht.

Das war der Fall

Der Arbeitgeber betreibt im ganzen Bundesgebiet insgesamt über 40 Möbelhäuser. Kommt es in Zeiten hoher Kundenfrequenz (»peak days«) zu personellen Engpässen in den Bereichen Logistik und Kasse, ist es üblich, dass aus anderen Abteilungen Mitarbeiter für kurze Zeit – meist nur ein paar Stunden – aushelfen. Der Arbeitgeber stellte dazu Beschäftigte aus den Abteilungen Personal, Marketing und EDV ab. Die Arbeit an der Kasse und in der Logistik ist allerdings besonders stressig, da sie mit Kundenkontakt verbunden und daher »fremdbestimmt« ist. Der Betriebsrat hält daher das Zuweisen dieser Aushilfstätigkeiten für Versetzungen i.S. des § 99 BetrVG, auch wenn sie jeweils nur für kurze Zeit erfolgen.

Das sagt das Gericht

Die Richter geben dem Betriebsrat Recht.

Die Zuweisung einer Arbeit mit deutlich vermehrtem Kundenkontakt führt dazu, dass der Beschäftigte seine Arbeit nicht mehr nach dem eigenen Rhythmus, sondern nach den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden zu erledigen hat. Besonders das Abarbeiten der Aufträge an der Kasse ist etwas komplett anderes als das Arbeiten in Büros ohne Kundenverkehr. Das Arbeiten mit vermehrten Kundenkontakt bedeutet daher eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände mit mehr Fremdbestimmung und in der Regel mehr Stress. Das Gericht geht daher von einer Versetzung i.S. des § 99 BetrVG aus.

Kein Unterlassungsanspruch

Allerdings hat der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Unterlassung von Versetzungen, die der Arbeitgeber ohne seine Zustimmung angeordnet hat.

Bei personellen Maßnahmen nach §§ 99 ff BetrVG, also Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung, nimmt das Gesetz in Kauf, dass der Arbeitgeber diese Maßnahmen vorübergehend anordnen kann, ohne dass ihre materielle Rechtsmäßigkeit feststünde.

Anders ist es bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs, 1 BetrVG) oder bei personellen Auswahlrichtlinien (§ 95 Abs. 1 BetrVG). Hier hat der Betriebsrat einen zwingenden Unterlassungsanspruch. Nimmt der Arbeitgeber dagegen vorläufig eine personelle Maßnahme vor,  kann der Betriebsrat nur beim Arbeitsgericht im Einzelfall ihre Aufhebung beantragen (§§ 100 Abs. 2, 101 BetrVG).

Das muss der Betriebsrat beachten

In vielen Firmen ist es üblich, dass sich die Mitarbeiter der Abteilungen gegenseitig aushelfen, wenn Not am Mann ist. Man sollte beachten, dass auch ein Aushelfen von ganz kurzer Dauer eine Versetzung sein kann, wenn sich die Arbeitsumstände massiv ändern. Das ist der Fall, wenn Angestellte vom Backoffice in den Kundenkontakt wechseln müssen.

Das Arbeiten an der Kasse ist etwas ganz anderes als ein selbstbestimmtes Arbeiten. Daher sollten Betriebsräte hier ihre Rechte wahrnehmen und die Mitbestimmung einfordern. Ansätze dafür bieten das Mitbestimmungsrecht bei Dienstplänen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) und das Vorschlagsrecht bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG). Hier kann der Betriebsrat darauf hinwirken, dass der Arbeitgeber auch für die »Stoßzeiten« genügend Personal vorhält.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Niedersachsen (29.04.2019)
Aktenzeichen 12 TaBV 51/18
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