Lohngleichheit

BAG: Gleicher Lohn ist keine Frage des Verhandlungsgeschicks

17. Februar 2023 Entgelt, Lohngleichheit
Team Frauen Männer Lohn Gehalt Geld
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Frauen haben Anspruch auf den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob Männer einen besseren Lohn ausgehandelt haben. So eine Grundsatzentscheidung des BAG.

Das war der Fall

Die klagende Arbeitnehmerin ist seit dem 1.3.2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500,00 Euro brutto. Ab dem 1.8.2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der ua. die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Die für die Tätigkeit der Beschäftigten maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah ein Grundentgelt iHv. 4.140,00 Euro brutto vor. In § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags heißt es: »Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120,00 €/brutto in den Jahren 2018 bis 2020« (Deckelungsregelung).

In Anwendung dieser Bestimmung zahlte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin ab dem 1.8.2018 ein Grundentgelt iHv. 3.620,00 Euro brutto, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.

Neben der Arbeitnehmerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1.1.2017. Die Arbeitgeberin hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt iHv. 3.500,00 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, dh. für die Zeit bis zum 31.10.2018 ein höheres Grundentgelt iHv. 4.500,00 Euro brutto.

Die Arbeitgeberin gab dieser Forderung nach. Nachdem sie dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 - wie auch der klagenden Arbeitnehmerin - ein Grundentgelt iHv. 3.500,00 Euro gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab dem 1.7.2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000,00 Euro brutto. Zur Begründung berief sie sich ua. darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei.

Ab dem 1.8.2018 zahlte die Arbeitgeberin dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der klagenden Arbeitnehmerin, das sich in Anwendung der »Deckelungsregelung« des § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags auf 4.120,00 Euro brutto belief.

Arbeitnehmerin verlangt gleiches Gehalt wie männliche Kollegen

Mit ihrer Klage begehrt die Arbeitnehemerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 iHv. monatlich 1.000,00 Euro brutto, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2017 iHv. 500,00 Euro brutto sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 iHv. monatlich 500,00 Euro brutto.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da die Arbeitgeberin sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung iHv. mindestens 6.000,00 Euro.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Das sagt das Bundesarbeitsgericht

Die Revision hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ganz überwiegend Erfolg. 

Das BAG hat dem auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerichteten Antrag der Arbeitnehmerin teilweise entsprochen und dieser eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts iHv. 2.000,00 Euro zugesprochen.

Benachteiligung wegen des Geschlechts

Die Arbeitgeberin hat die Beschäftigte in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass sie ihr, obgleich sie und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Arbeitnehmerin hat deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV (Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.), § 3 Abs. 1 (Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts) und § 7 EntgTranspG (Entgeltgleichheitsgebot) auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege.

Der Umstand, dass die Arbeitnehmerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist.

Gleicher Lohn ist keine Verhandlungssache

Der Arbeitgeberin ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sie sich für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.

Für den Zeitraum ab dem 1.8.2018 ergibt sich der höhere Entgeltanspruch der Klägerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet die »Deckelungsregelung« in § 18 Abs. 4 Haustarifvertrag auf die Arbeitnehmerin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hat.

© bund-verlag.de (ls)

Quelle

BAG (16.02.2023)
Aktenzeichen 8 AZR 450/21
PM des BAG Nr. 10/23
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