BAG: Kein Mitbestimmungsrecht bei Dauer der Arbeitszeit

Das war der Fall
Es ging um die wöchentliche Arbeitszeit in einem Betrieb, für den der Manteltarifvertrag der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen gilt. Nach dessen § 2 Nr. 1 Abs. 1 beträgt danach die wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 35 Stunden.
Allerdings existierten in dem Betrieb zugleich eine Rahmenbetriebsvereinbarung (RBV) und eine Betriebsvereinbarung, die eine 40-Stunden-Woche vorsahen. Der Arbeitnehmer arbeitete sodann in einer 40-Stunden-Woche.
Er war jedoch der Auffassung, Nr. 3 RBV, die die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden vorsah, sei wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Er verlangte daher von seiner Arbeitgeberin die Zahlung von Überstundenvergütungen einschließlich eines Zuschlags je Stunde i.H.v. 25 %.
Das sagt das Gericht
Das Gericht gibt dem Beschäftigten recht. Die wöchentliche Arbeitszeit richtet sich nach dem Tarifvertrag und kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung hochgesetzt werden. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam.
Diese Sperrwirkung sei – so die Richter – auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben worden. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erstrecken sich nicht auf die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Der Betriebsrat habe nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen mitzubestimmen. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG räume ihm lediglich bei einer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht ein.
Überstunden müssen vergütet werden
Hinsichtlich der Zuschläge für Überstunden sei der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast bezüglich einer bestehenden betrieblichen Übung hinreichend nachgekommen, denn er habe andere Beschäftigte namentlich benennen können, die solche Zuschläge erhalten hatten. Daher durfte er von einer allgemeinen Vergütungspraxis ausgehen. Er müsse nicht darlegen, dass er selbst im fraglichen Zeitraum Überstundenzuschläge erhalten hat. Auch wenn der Arbeitnehmer die geleisteten Überstunden nicht in jeder Hinsicht darlegen und beweisen konnte, müsse das Gericht den Umfang der geleisteten Überstunden gleichwohl schätzen, außer die Schätzung wäre willkürlich.
Das BAG hat die Sache zur Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, um u.a. die erforderlichen Feststellungen zum Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Überstunden nachzuholen.
Das muss der Betriebsrat wissen
Sind Arbeitsbedingungen – wie im vorliegenden Fall die wöchentliche Arbeitszeit – durch einen Tarifvertrag geregelt, können sie nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, außer der Tarifvertrag lässt dies ausdrücklich zu, siehe § 77 Abs. 3 BetrVG. Diese Regelungssperre greift dann nicht, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, was das BAG jedoch bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit verneint.
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Quelle
Aktenzeichen 1 AZR 175/20