BAG: Keine Entschädigung ohne ernsthafte Bewerbungsabsicht

Das war der Fall
Ein pensionierter Oberratsamt hatte sich auf eine ausgeschriebene Stelle als Bürosachbearbeiter beim Technischen Hilfswerk beworben. Nach der Stellenbeschreibung sollten Bewerber insbesondere über sichere Kenntnisse im Umgang mit MS Office Produkten sowie ein gutes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen verfügen und gegenüber IT-Anwendungen aufgeschlossen sein. Die Bewerbung war nur über ein Online-Portal möglich. Der ehemalige Beatme schickte seine Bewerbung dennoch per E-Mail an die Pressestelle der Anstalt, weil er mit dem Online-Portal nicht arbeiten könne. In seinem Anschreiben hob er seine Erfahrung aufgrund seines hohen Alters hervor, ging auf die gestellten Anforderungen aber nicht ein. Der Text enthielt zahlreiche Rechtschreibfehler.
Die Anstalt stellt den Bewerber nicht ein. Das begründete sie damit, dass er die tarifliche Regelaltersgrenze überschritten habe. Der ehemalige Beamte klagte daraufhin vor dem Arbeitsgericht auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung.
Das sagt das Gericht
Entgegen den Vorinstanzen sprach das BAG dem Kläger keine Entschädigung zu. Zwar sei er durch die Absage unmittelbar aufgrund seines Alters benachteiligt worden. Ein Anspruch auf Entschädigung stehe ihm aber trotzdem nicht zu.
Rechtsmissbrauch
Die Richter waren davon überzeugt, dass der Kläger die Absage provoziert habe. Seine Bewerbung sowie sein Verhalten während des Bewerbungsprozesses hätten keine ernsthaften Bewerbungsabsichten erkennen lassen. In seinem Anschreiben sei er nicht auf die gestellten Anforderungen und Qualifikationen eingegangen. Stattdessen habe er sein Alter in den Vordergrund gerückt.
Das Anschreiben enthalte zudem viele Rechtschreib- und Grammatikfehler. Das Online-Portal wollte er ohne Angabe von Gründen nicht nutzen. Damit habe er verdeutlicht, dass er, entgegen der Stellenbeschreibung, nicht gegenüber IT-Anwendungen aufgeschlossen sei. All diese Indizien ließen den Schluss zu, der Kläger habe es auf eine Absage angelegt, um die Entschädigung zu erhalten. Das sei rechtsmissbräuchlich und ein Anspruch auf Entschädigung deshalb ausgeschlossen.
Altersdiskriminierung
Wann eine Benachteiligung aufgrund des Alters erlaubt ist, ist in § 10 AGG geregelt. Danach ist die Ungleichbehandlung zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Laut Gericht könne eine Altersdiskriminierung deshalb im Einzelfall auch zulässig sein, um eine ausgeglichene Altersstruktur im Betrieb zu schaffen. Das gelte insbesondere, wenn ein geeigneter Bewerber zur Auswahl stehe, der die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht habe.
Praxishinweis
Laut BAG kann aber allein die tarifliche Altersgrenze eine Absage nicht rechtfertigen. Vielmehr muss auch in diesem Fall geprüft werden, ob die Benachteiligung angemessen und zur Erreichung des konkret angestrebten Zwecks erforderlich war. Das ist nicht der Fall, wenn die Interessen des Bewerbers übermäßig beeinträchtigt werden.
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Quelle
Aktenzeichen 8 AZR 238/21