IT-Mitbestimmung

BAG zur Mitbestimmung bei digitalen Mitarbeiterbefragungen

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Quelle: © funkyfrogstock / Foto Dollar Club

Online-Mitarbeiterbefragungen kann der Arbeitgeber nicht ohne Betriebsrat einführen. Die Gefahr der Überwachung der Beschäftigten liegt auf der Hand. Will der Arbeitgeber allerdings im Nachgang an den Fragebögen inhaltlich etwas ändern, so braucht er den Betriebsrat nicht zu fragen – so nun das BAG.

Mitarbeiterbefragungen sind im Trend. Als Gradmesser für die Zufriedenheit der Beschäftigten setzen viele Arbeitgeber nun vermehrt auf elektronische Befragungen, also Umfragen, die nicht mehr print, sondern rein digital durchgeführt werden. Doch es stellen sich viele Fragen zur Mitbestimmung. Nicht alle sind schon vollends geklärt.

Das war der Fall

In einem Logistikunternehmen werden seit 2007 jährlich konzernweite Online-Mitarbeiterbefragungen durchgeführt. Die Zufriedenheit mit den Vorgesetzten und Führungskräften wird in einem ausgeklügelten System abgefragt. Die Anonymität der Befragung sollte durch die Einschaltung eines externen Dienstleisters sichergestellt werden, der die personenbezogenen Daten der Teilnehmenden in von den Antworten jeweils getrennten Datenbanken speichert. Die Anonymisierung der zu bewertenden Führungskräfte allerdings war nicht vollständig gewährleistet.

Die Zustimmung des Konzernbetriebsrats zur Einführung der Befragung (Version 8 des IT-Systems) liegt vor. Der Arbeitgeber wollte einen Teil der Fragen inhaltlich ändern. Der Konzernbetriebsrat ist der Meinung, dass diese Änderung der Fragen mitbestimmungspflichtig sei.

Das sagt das Gericht

Das Gericht hält die Änderung der Fragen nicht für mitbestimmungspflichtig und prüft klassisch alle Mitbestimmungstatbestände durch.

  • § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: Das BAG sieht keine Mitbestimmungspflicht, wenn der Arbeitgeber im Nachgang an den Fragen inhaltlich etwas ändern will, solange – wie hier – die Einführung des gesamten Online-Fragesystems mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgt ist. Dass die Ersteinführung zustimmungspflichtig war, ist soweit unstreitig, da es sich bei einer EDV-gestützten Mitarbeiterbefragung um ein IT-System handelt, das potentiell geeignet ist Verhalten und Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Die mangelhafte Anonymisierung der zu bewertenden Führungskräfte bei Anwendung des Systems hätte der Betriebsrat allerdings gleich bei der Einführung und seine Zustimmung verweigern müssen. Jetzt kommt die Rüge zu spät.
  • § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: Die Änderung des Fragenkatalogs zielt nicht auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer. Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig und hinsichtlich der die Fragen beantwortenden Arbeitnehmer anonymisiert. Das BAG verneint daher auch die Mitbestimmung wegen Ordnungsverhalten.
  • § 87 Abs. 1 Nr. 7: Das BAG verneint eine Mitbestimmung. Freiwillige und anonymisierte Mitarbeiterbefragungen stellen nicht zwingend eine Gefährdungsbeurteilung dar. Das Ändern der Fragen sei – selbst wenn es sich um gesundheitsschutzbezogene Fragestellungen handele – objektiv keine Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 5 ArbSchG.
  • Auch kein Fall von § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG: Das BAG stellte weiter fest, dass es sich bei der Mitarbeiterbefragung auch nicht um einen Personalfragebogen im Sinne des § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG handele. Der Mitbestimmungstatbestand sei hinsichtlich der befragten Arbeitnehmer schon deshalb nicht gegeben, weil die Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung freiwillig sei. Zu den direkten Vorgesetzten würden ausschließlich subjektive Wertungen erfragt; im Übrigen läge die Zustimmung des Betriebsrats vor.

Das muss der Betriebsrat beachten:

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen print- und elektronischen Mitarbeiterbefragungen. Befragungen, die rein in Papierform anonymisiert erfolgen, sind mitbestimmungsfrei. Online-Befragungen hingegen sind mitbestimmungspflichtig. Will der Arbeitgeber allerdings bei einem einmal mitbestimmt eingeführten EDV-System im Nachgang nur den Fragebogen ändern, so ist damit keine Änderung bei der Anonymisierung verbunden. Eine erneute Mitbestimmungspflicht entsteht daher nicht.
Betriebsräte müssen daher darauf achten, dass alle Mängel mit Blick auf die Anonymisierung von EDV-Systemen gleich gerügt werden.

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

BAG (11.12.2018)
Aktenzeichen 1 ABR 13/17
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