Sachkosten

Beraterhonorare müssen erforderlich sein

21. April 2021 Betriebsrat
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Quelle: © Sailorr / Foto Dollar Club

Die Pfändung einer Honorarforderung aufgrund einer Beauftragung durch den Betriebsrat kann scheitern, wenn sich die Arbeitgeberin im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf die fehlende Erforderlichkeit beruft. Das geht aus einem BAG-Beschluss hervor.

Das war der Fall

Zwei Verfahren, eine Zielrichtung: Ein Beratungsunternehmen hatte zunächst den Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreterin auf Zahlung von Honorarkosten, fast 87.000 Euro, in Anspruch genommen. Im Verfahren kam es zwischenzeitlich zur Streitverkündung, so dass das Unternehmen, bei dem der Betriebsrat gebildet ist, Verfahrensbeteiligter wurde. Später erweiterte das Beratungsunternehmen die Zahlungsklage auf den Betriebsrat als Gremium. In der Folge verurteilte das OLG Frankfurt am Main den Betriebsrat mit Urteil vom 16. Dezember 2013 (Az.: 1 U 184/10) auf Zahlung von 83.752,20 Euro nebst Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.

Nach weiteren Streitigkeiten hinsichtlich des zu zahlenden Honorars erwirkte das Beratungsunternehmen aufgrund des OLG-Urteils einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem der Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin aus § 40 Abs. 1 BetrVG gepfändet werden sollte. Auch dieser Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 9. Juli 2014 war Gegenstand einer mehrjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung und wurde schließlich bestandskräftig. Dennoch verweigerte die Arbeitgeberin jegliche Honorarzahlung.

Daraufhin hat das Beratungsunternehmen die Arbeitgeberin im Mai 2018 im Wege der Einziehung des gepfändeten Freistellungsanspruchs auf Zahlung der titulierten Honorarforderung nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Beratungsunternehmen vertrat die Auffassung, dass die Arbeitgeberin aufgrund der im Zivilprozess erfolgten Streitverkündung an das Urteil des OLG Frankfurt gebunden und zur Zahlung des Honorars verpflichtet sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Streitverkündung nicht durch den Betriebsrat, sondern durch den Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreterin erklärt worden sowie, ebenso wie der Beitritt der Arbeitgeberin, zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Betriebsrat noch nicht verklagt gewesen sei. Die Arbeitgeberin sei daher Streithelferin des Betriebsrats.Die Arbeitgeberin hilet die Honorarforderung für nicht erforderlich im Sinne des § 40 BetrVG. 

Das sagt das Gericht

Das LAG Frankfurt hat zu Unrecht angenommen, das rechtskräftige Urteil des OLG Frankfurt habe für das arbeitsgerichtliche Verfahren bindend festgestellt, dass dem Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin ein Anspruch auf Freistellung von einer Honorarforderung der Antragstellerin, also des Beratungsunternehmens, in Höhe von 83.752,20 Euro zustehe und dieses den Betrag entsprechend pfänden lassen könne. Die Entscheidung des OLG entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber der Arbeitgeberin.

Wichtig: Erforderlichkeit prüfen

Das BAG stellt klar, dass eine entscheidende Frage, die im Zivilprozess außen vor bleibt, die Erforderlichkeit aus § 40 BetrVG ist. Zum einen können Betriebsrat und Beratungsunternehmen nicht über die für die Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 BetrVG maßgebliche Frage der Erforderlichkeit der Beauftragung und der Höhe der entstandenen Beratungskosten zu Lasten der Arbeitgeberin zu verfügen. Zum anderen sei es in der vorliegenden Konstellation nicht auszuschließen, dass der vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit unmittelbar auf Zahlung in Anspruch genommene Betriebsrat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG unstreitig stellt. Dann würden bei einer Bindungswirkung Einwendungen der Arbeitgeberin gegen die Erforderlichkeit unberücksichtigt bleiben.  

Auch aufgrund der Streitverkündung ist keine Bindungswirkung des OLG-Urteils anzunehmen. Denn im Zivilprozess hat nicht der Betriebsrat den Streit verkündet, sondern der Betriebsratsvorsitzende und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Arbeitgeberin haben im Vorprozess mit Schriftsatz vom 13. Februar 2009 den Streit verkündet. Zu diesem Zeitpunkt war der Betriebsrat noch nicht Partei des Rechtsstreits. Verklagt waren zu diesem Zeitpunkt nur der Betriebsratsvorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende persönlich. Daher hat die durch einzelne Betriebsratsmitglieder erfolgte Streitverkündung keine Wirkung für das gesamte Gremium. Zudem waren im Vorprozess die Einwände der Arbeitgeberin im Hinblick auf die Erforderlichkeit der vom Betriebsrat in Anspruch genommenen Beratungsleistungen nach § 67 Satz 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt geblieben, weswegen diese auch bei wirksamer Streitverkündung durch das Gremium im arbeitsgerichtlichen Verfahren behandelt werden könnten.

Selbst bei der Annahme zu Gunsten der Antragstellerin, dass die Beauftragung und die Honorarkosten erforderlich waren, dem Betriebsrat ein Anspruch auf Freistellung von diesen Kosten in Höhe des geltend gemachten Betrags zustehen würde und die Antragstellerin aufgrund der Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs einen entsprechenden Zahlungsanspruch erworben hätte: Der Anspruch ist inzwischen verjährt und kann daher nicht mehr durchgesetzt werden.

Laut BAG gilt für den Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Freistellung von Honorarkosten eines Beratungsunternehmens aus § 40 Abs. 1 BetrVG die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahres, in dem die Forderung, von der zu befreien ist, gegenüber dem Betriebsrat fällig wird.

Das muss der Betriebsrat wissen

Entscheidend ist hier, welche Wirkung der im Zivilprozess erstrittene Titel auf das Verfahren vor den Arbeitsgerichten hat. Spannend auch die Frage, inwieweit die Erforderlichkeit gemäß § 40 BetrVG im Zivilprozess geklärt werden kann. Hier geht das BAG davon aus, dass diese Frage im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch bei einer Bindungswirkung nicht zu Lasten der (im Zivilprozess nicht beteiligten) Arbeitgeberin entfallen dürfe. Die Entscheidung zeigt auch, dass es unverzichtbar ist, seitens des Betriebsrats die Erforderlichkeit genau zu prüfen, um wie hier möglicherweise jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und sich auch nicht der Gefahr auszusetzen, persönlich zu haften.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BAG (18.11.2020)
Aktenzeichen 7 ABR 37/19
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