Corona

Wann ist eine »Maßnahme« beteiligungspflichtig?

14. Dezember 2020
Corona_Arbeit
Quelle: pixabay

Ein ministerialer Runderlass ist keine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn, wenn er keine Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Geschäftsbereichs begründet, sondern den nachgeordneten Dienststellen lediglich Instruktionen erteilt, wie z.B. dass »eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht angeordnet werden darf«.

Mit ministeriellem Runderlass vom 30.6.2020 (6274-Z.6) wurden den nachgeordneten Justizbehörden in Nordrhein-Westfalen u.a. Vorgaben zum Aufstellen von Zutrittsregelungen zu den Gerichten und Behörden während der Corona-Pandemie gemacht.

Der Runderlass enthält Vorgaben an die Mittelbehördenleiter darüber, wie sie den Zutritt in ihre Dienstgebäude während der Corona-Pandemie regeln sollen. Die Regelungen selbst obliegen den Behördenleitungen aber in eigener Zuständigkeit. Ziffer II. 4 Absatz 1 Satz 1 des Erlasses schreibt vor, dass »eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht angeordnet werden darf«.

Der Hauptpersonalrat wurde an diesem Runderlass nicht beteiligt. Dagegen beantragte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens beim Verwaltungsgericht Düsseldorf.

Das sagt das Gericht

Nach Auffassung des VG Düsseldorf sei kein Mitbestimmungsverfahren erforderlich gewesen. Denn das Justizministerium habe mit dem streitgegenständlichen Erlass keine Maßnahme getroffen, die nach § 72 Abs. 4 LPVG NRW der Mitbestimmung unterliege.

Unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn sei jede auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielende Handlung oder Entscheidung der Dienststelle zu verstehen, welche die Rechte der Beschäftigten berühren und durch die das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen verändert werden (so auch BVerwG 17.5.2017 - 5 P 2/16; OVG Nordrhein-Westfalen 4.3.2016 – 20 A 2364/14.PVL).

Angesichts dessen sei eine ministerielle Entscheidung, die an den nachgeordneten Bereich gerichtet ist, keine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn, wenn sie Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Geschäftsbereichs nicht begründet, sondern lediglich den nachgeordneten Dienststellen Instruktionen erteilt und ihnen auf dieser Grundlage die Durchführung überlässt. Etwas anderes gelte nur, wenn ein bestimmtes Verhalten der nachgeordneten Dienststellen unmittelbar und zwingend durch die oberste Dienstbehörde angeordnet wird.

Die Arbeitsverhältnisse und die Arbeitsbedingungen ändern sich im Sinne des personalvertretungsrechtlichen Maßnahmebegriffs erst, wenn die nachgeordneten Dienststellen die Vorgaben der übergeordneten Dienststellen tatsächlich umsetzen, indem sie eigene Regelungen für ihre Häuser erlassen.

Soweit das Justizministerium in Ziff. II. 4 Abs. 1 Satz 1 des Erlasses vorgebe, dass eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht angeordnet werden dürfe, regele das Ministerium dies nicht selbst, sondern gebe den Behördenleitungen lediglich vor, wie sie dieses Detail der Pandemiemaßnahme in ihren Häusern umzusetzen hätten.

Das müssen Sie wissen

Die Entscheidung des VG Düsseldorf deckt sich mit der Rechtsprechung des BVerwG und des OVG NRW. Eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Ministeriums scheiterte im vorliegenden Fall bereits daran, dass durch den Erlass an die Leiter der nachgeordneten Behörden keine Veränderung des bestehenden Zustandes und der Arbeitsbedingungen eintritt. Denn die Leiter haben die Vorgaben durch den Erlass eigener Regelungen umzusetzen.

Nicht problematisiert wurde hier aufgrund der fehlenden Zuständigkeit des Hauptpersonalrats die  Frage, ob überhaupt Mitbestimmungstatbestände einschlägig sind. In Betracht kämen § 72 Abs. 4 Nr. 9 LPVG NRW (Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten) und  § 72 Abs. 4 Nr. 7 LPVG NRW (Maßnahmen zur Verhütung sonstiger Gesundheitsschäden einschließlich Maßnahmen vorbereitender oder präventiver Art).

(Haupt-)Personalräte sollten daher immer genau prüfen, ob sie zuständig sind oder ob ggf. ein übergeordnetes oder nachgeordnetes Gremium zu beteiligen wäre. Das ist zwar nicht immer ganz einfach, kann aber  - wie hier - vor Gericht entscheidend sein.

Von Sven Bleck-Vogdt, LL.M. (Köln/Paris I), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei Dette Nacken Ögüt & Kollegen, Bremen.

© Bund-Verlag

(CT)

 

Quelle

VG Düsseldorf (31.08.2020)
Aktenzeichen 40 L 1521/20.PVL
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