Betriebsratsarbeit in Pandemie-Zeiten

Wie wirkt sich die Homeoffice-Pflicht auf die Betriebsratsarbeit aus?
Prof. Dr. Peter Wedde:
Die Verpflichtung von Arbeitgebern, Beschäftigten Homeoffice anzubieten, steht der Wahrnehmung der gesetzlich festgelegten Betriebsratsaufgaben nicht entgehen. Betriebsratsmitglieder können und müssen ihre gesetzlichen Aufgaben auch in der Pandemie-Zeit wahrnehmen. Dazu gehört die Teilnahme an Präsenz- oder Online-Sitzungen ebenso wie der notwendige Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen oder die Überwachung der Einhaltung von Schutzgesetzen.
Können Betriebsratssitzungen noch in Präsenz stattfinden? Ist das ein »Grund« im Sinne des Infektionsschutzgesetzes?
Prof. Dr. Peter Wedde:
Wenn ein Betriebsrat im Ergebnis einer Abwägung mit bestehenden Gesundheitsrisiken entscheidet, dass eine Präsenzsitzung notwendig ist, steht dieser das von Arbeitgebern zu machende Angebot der Arbeit im Homeoffice nicht entgegen. Auch Betriebsräte sind zwar angesichts steigender Infektionszahlen gehalten, durch den Verzicht auf Präsenzsitzungen zum Gesundheitsschutz beizutragen. Hält ein Gremium aber Präsenzsitzungen für erforderlich, ist dies mit Blick auf die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit von Betriebsräten ein zwingender Grund im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Wenn der Gesetzgeber hier etwas anderes vorgeben will, muss er dies gesetzlich auch ausdrücklich festlegen.
Wenn Betriebsratssitzungen digital stattfinden, was gilt dann für geheime Wahlen? Dürfen die nun auch digital stattfinden?
Prof. Dr. Peter Wedde:
In der Sonderregelung des § 129 BetrVG, die Online-Sitzungen des Betriebsrats möglich macht, gibt es keine Regelung zur geheimen Wahl. Gleiches gilt für die aktuelle Fassung des »Betriebsrätemodernisierungsgesetzes«, die hierzu ebenfalls keine Regelung enthält. Damit bleibt Betriebsräten für diese Fälle nur die Durchführung einer Präsenzsitzung, soweit sich diese unter Wahrung notwendiger Schutzmaßnahmen realisieren lässt. Können einzelne Betriebsratsmitglieder hieran wegen individuell bestehender gesundheitlicher Risiken nicht teilnehmen und erklären sie dies gegenüber der oder dem Vorsitzenden, können im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens Ersatzmitglieder geladen werden.
Was gilt für den Wahlvorstand, der ja bisher nicht digital tagen darf? Gibt es da jetzt vor dem Hintergrund des Infektionsschutzgesetzes vielleicht Ausnahmen?
Prof. Dr. Peter Wedde:
Zur Zulässigkeit von Beschlussfassungen durch Wahlvorstandsmitglieder im Rahmen von Audio- oder Videokonferenzen gibt es bisher keine gesetzliche Regelung. § 129 BetrVG eröffnet diese Sitzungsmöglichkeit ausdrücklich nur für alle Betriebsrats- und JAV-Gremien sowie für Einigungsstellen und Wirtschaftsausschüsse. Da auch Entscheidungen im Umlaufverfahren unzulässig sind, müssen Wahlvorstände sich deshalb für Beschlussfassungen weiter zu Präsenzsitzungen treffen. Unbenommen ist es ihnen aber, für allgemeine Besprechungen oder zur schnellen Klärung von Problemen auf zur Verfügung stehende Kommunikationsmöglichkeiten wie Telefone oder Videokonferenzsysteme zurückzugreifen.
Und noch etwas ist wichtig: Lädt ein Wahlvorstand nach Auszählung der Stimmen nicht innerhalb der durch § 29 Abs. 1 BetrVG vorgegebenen Wochenfrist zu einer konstituierenden Sitzung ein, können die neu gewählten Mitglieder im Rahmen ihres Selbstzusammentrittsrechts eigenständig eine erste Betriebsratssitzung einberufen und dort einen Wahlleiter bestellen. Das geht dann gemäß § 129 BetrVG auch per Video- oder Telefonkonferenz. Und in diesen Online-Betriebsratssitzungen können dann Beschlüsse gefasst und offene Abstimmungen zu allen Betriebsratsthemen durchgeführt werden.
Der § 129 BetrVG gilt noch befristet bis 30.6.2021. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz sollen Betriebsratssitzungen dann dauerhaft per Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein. Mehr zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz lesen Sie hier.
Der Interviewpartner:
Dr. Peter Wedde
Veranstaltungstipp:
Datenschutz und Mitbestimmung
Praxis trifft Experten
Vom 2. bis 4. August 2021 findet das dreitägige Symposium »Datenschutz und Mitbestimmung – Praxis trifft Experten« in Steinbach statt.
Durch die Pandemie hat der digitale Wandel enorm an Fahrt aufgenommen und ist mit großen Schritten in alle Bereiche unserer Wirtschaft vorgedrungen. Um diesen Wandel aktiv mitgestalten zu können, müssen Betriebs- und Personalräte ihre Rechte zum Themenbereich Datenschutz kennen. Was passiert mit den Gesundheitsdaten der Beschäftigten? Welche Möglichkeiten haben sie, mobiles Arbeiten, Homeoffice und Telearbeit zu gestalten? Wie begleiten Interessenvertretungen diese Prozesse im Interesse der Beschäftigten? Darüber geben die hochkarätigen Experten des dreitägigen Symposium erschöpfend Auskunft – auch unser AiB-Gesprächspartner Prof. Dr. Peter Wedde.
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