Betriebsratssitzung: Präsenz oder Homeoffice?

Prof. Peter Wedde:
„Betriebssitzungen können nach der in § 30 BetrVG aufgenommenen Neuregelung auch als Video– und Telefonkonferenzen durchgeführt werden. Dies schließt hybride Modelle ein, bei denen nur ein Teil der Mitglieder online teilnimmt, etwa aus dem Home-Office. Allerdings sind Präsenzsitzungen aller Mitglieder weiterhin der Regelfall. Wird zu einer Online-Betriebsratssitzung eingeladen, kann ein Viertel der Betriebsratsmitglieder nach § 30 Abs. 2 Ziffer 2 BetrVG die Durchführung einer ausschließlichen Präsenzsitzung erzwingen.
Kein Recht auf Online-Teilnahme eines einzelnen Mitglieds
An dieser Situation ändert auch die in § 28a Abs. 4 IfSG enthaltene Verpflichtung von Arbeitgebern nichts, Beschäftigten, die Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten leisten, die Möglichkeit der Arbeit zu Hause anzubieten, soweit dem keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Aus dieser Vorschrift leitet sich allerdings weder ein individueller Rechtsanspruch auf Arbeit im Home-Office noch auf die Online-Teilnahme an einer ausschließlich im Betrieb stattfindenden Betriebsratssitzung ab. Diesbezüglich ist auch zu bedenken, dass die Teilnahme an Betriebsratssitzungen die Ausfüllung einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist und nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung von Beschäftigten. Dies schränkt die räumliche Dispositionsbefugnis von Arbeitgebern ein.
Gremium geht vor
Über Ort und Durchführung von Sitzungen entscheiden im Rahmen einschlägiger gesetzlicher Vorgaben allein die Betriebsräte. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder müssen rechtlich wirksame Beschlüsse der Gremien bezüglich Ort, Art und Zeit von Betriebsratssitzungen akzeptieren. Dies schließt die Durchführung von ausschließlichen Präsenzsitzungen ein, an denen keine online Teilnahme möglich ist. Fordert ein Viertel der Betriebsratsmitglieder statt einer Video- und Telefonkonferenz die Durchführung einer Präsenzsitzung, muss sich das Gremium nach dem klaren Wortlaut des § 30 Abs. 2 Ziff. 2 BetrVG zu einer gemeinsamen Sitzung treffen. Dies setzt natürlich für die Dauer der Corona-Pandemie die Sicherstellung erforderlicher Maßnahmen aus dem Bereich des Arbeit- und Gesundheitsschutzes voraus. Würde einzelnen Betriebsratsmitgliedern nach einem entsprechenden Antrag eines Viertels der Mitglieder dennoch die Möglichkeit eingeräumt, per Video- und Telefonkonferenz, könnte dies als Bruch der Vertraulichkeit der Sitzung gewertet werden. Die online teilnehmenden Mitglieder können nicht als anwesend im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG angesehen werden. Zudem kann im Einzelfall die Wirksamkeit von Beschlüssen angezweifelt werden.
Auf Ängste Rücksicht nehmen
Trotz dieser klaren rechtlichen Situation sind Betriebsräte gut beraten, wenn sie bei der Planung ihrer Sitzungen auf die Sorgen und Ängste einzelner Mitglieder bezüglich einer Infektion Rücksicht nehmen. Allerdings müssen im Gegenzug einzelne Betriebsratsmitglieder auch das Bedürfnis zur Durchführung gemeinsame Sitzungen vor Ort akzeptieren. Erscheint Ihnen dies zu riskant, müsse sich im Einzelfall vertreten lassen.“
Der Interviewpartner:
Dr. Peter Wedde
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