Fragen an den Anwalt

Betriebsratsvergütung während Kurzarbeit

03. Juni 2020 Betriebsrat, Kurzarbeit
Corona-NL Fragen an den Anwalt
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Ob und in welchem Umfang Betriebsräte auch während der betrieblichen Kurzarbeit ihren Vergütungsanspruch behalten, ist vor allem davon abhängig, ob das Betriebsratsmitglied freigestellt ist oder nicht.

Vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder

Diese sind aufgrund ihrer Freistellung nicht mehr zur Arbeitserbringung nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet. Damit kann durch einen Arbeitsausfall im Betrieb ihre Arbeit auch nicht wegfallen. Vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder behalten daher während der Kurzarbeit ihren ungekürzten Vergütungsanspruch. Es steht ihnen kein Kurzarbeitergeld zu (so sehen das auch die Fachlichen Weisungen der BA zum Kurzarbeitergeld, Stand 20.12.2018, Ziffer 95.21 [https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba013530.pdf]). Der Arbeitgeber darf das Gehalt der vollständig freigestellten Betriebsratsmitglieder auch nicht auf das hypothetische Kurzarbeitergeld kürzen.

Vollen Lohnanspruch haben die vollständig freigestellten Betriebsratsmitglieder jedoch nur in dem Umfang, in dem sie erforderliche Betriebsratstätigkeit wahrnehmen. Fällt in einem Monat keine oder wenig Betriebsratstätigkeit an, haben sie wegen des Benachteiligungsverbotes für den Zeitraum, in dem sie keine Betriebsratsarbeit ausüben, Anspruch auf ein Gehalt, dass wenigstens dem entspricht, was sie erhielten, wären sie ebenfalls in Kurzarbeit. Führt der Betrieb Kurzarbeit ein, kommt auf die Betriebsratsmitglieder aber häufig eine Menge Arbeit zu: Absprachen mit dem Arbeitgeber, Beratungsgespräche mit den Arbeitnehmern, Konzepterstellung für die wirtschaftliche Zukunft des Betriebs und so weiter. Fällt sogar vorübergehend Mehrarbeit an, steht diesen Betriebsratsmitgliedern nach den allgemeinen Grundsätzen ein Freizeitausgleich zu.

Nicht freigestellte Betriebsräte

Nicht freigestellte Betriebsräte sind ebenso wie andere Arbeitnehmer berechtigt, Kurzarbeitergeld zu beziehen, denn ihre Arbeitsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag besteht während ihres Betriebsratsmandates ungemindert fort. Sie haben »lediglich« einen Anspruch auf Freistellung von der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit, soweit sie erforderliche betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben erfüllen, § 37 Abs. 2 BetrVG. In dem Umfang, in dem sie erforderliche Betriebsratstätigkeit über die angeordnete Kurzarbeit hinaus leisten, haben sie Anspruch auf volle Vergütung. Dies gilt auch dann, wenn die Abteilung, in der sie arbeiten, in Kurzarbeit Null ist.

Für nur teilweise Freigestellte entfällt allein im Umfang der Freistellung die Verpflichtung, arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten zu erbringen, § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Für sie gilt: Im Umfang der Freistellung haben diese Betriebsratsmitglieder einen ungekürzten Anspruch auf Lohn. Für den Rest der Arbeitszeit haben sie Anspruch auf Kurzarbeitergeld, soweit sie in dieser Zeit in Kurzarbeit sind und nicht Betriebsratstätigkeit erbringen. Für nur teilweise freigestellte Betriebsratsmitglieder kann Kurzarbeit in dem Umfang angeordnet werden, wie eine arbeitsvertragliche Verpflichtung noch fortbesteht.

Praxistipp

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ist eine Rechtsfrage und kann daher nicht durch die Einigungsstelle entschieden werden. Dennoch entstehen im Rahmen von Kurzarbeit häufig die unterschiedlichsten Probleme, die von einer Einigungsstelle durch einen Spruch geklärt werden können. Vor der Einigungsstelle wird sich sicher kein Vorsitzender weigern, auch zu der Frage der Betriebsratsvergütung bei Kurzarbeit zwischen den Betriebsparteien den Versuch einer einvernehmlichen Lösung zu unternehmen. Denn eine einvernehmliche Betriebsvereinbarung über die Grenzen der wirksamen Einbeziehung von Betriebsräten in die Kurzarbeit hätten die Parteien auch von Anfang an schließen können.

Vollständig freigestellten Betriebsräten ist ein Widerspruch gegen einen ablehnenden Kurzarbeitergeld-Bescheid der BA nicht zu raten, die Erfolgssausichten sind gering. Eher sollte eine Lohnzahlungsklage vor dem Arbeitsgericht (im Urteilsverfahren) angestrengt werden. Dasselbe gilt, soweit ein Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit während der Kurzarbeit bestreitet und deswegen die Lohnzahlung verweigert.

 

Dr. jur. Michael Bachner, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Daniel Wall, Rechtsanwalt

 

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