Betriebsratsvergütung

BGH zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

13. März 2023 Betriebsratsvergütung
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Quelle: © Sailorr / Foto Dollar Club

Haben sich VW-Manager wegen der Bewilligung von Betriebsratsbezügen strafbar gemacht? Mit dieser Frage befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH). Der Straftatbestand der Untreue kann erfüllt sein, wenn einem Betriebsratsmitglied unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt wird.

Das war der Fall

Angeklagt waren Vorstandsmitglieder bzw. Personalleiter eines Automobilherstellers, die in Verdacht standen, mehreren Betriebsräten unzulässig hohe Arbeitsentgelte gewährt und damit den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) verwirklicht zu haben. Den Betriebsratsmitgliedern waren monatliche Entgeltzahlungen von bis zu 17.000 EUR brutto und jährliche freiwillige Bonuszahlungen von bis zu 560.000 EUR brutto gezahlt worden.

Begründet wurde diese Vergütungsentwicklung u.a. damit, dass die betreffenden Betriebsräte nach ihrer Amtsübernahme die unternehmenseigene Managementprüfung bestanden und ihnen Angebote zum Wechsel in entsprechende Positionen unterbreitet worden seien. Sie seien in unternehmerische Entscheidungen eingebunden gewesen, hätten komplexe Aufgaben wahrgenommen und in der Zusammenarbeit vergütungsrelevante, überdurchschnittliche Leistungen gezeigt. Die Angeklagten hatten sich dabei auf die Einschätzungen der Berater verlassen, denen zufolge die Vergütung rechtmäßig sei. Aus diesem Grund hatte das Landgericht Braunschweig die Angeklagten mangels Vorsatzes freigesprochen.

Das sagt das Gericht

Nach der Begründung des BGH schließe die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit für Vergütungszwecke aus. Das gelte auch für im Betriebsratsamt erworbene Qualifikationen, soweit diese nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen. Es verbiete sich, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrats bei einer Sonderkarriere abzustellen. Vergleichbar sei nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt habe und dafür in gleicher Weise wie der Betriebsrat fachlich und persönlich qualifiziert war.

Üblich sei eine Entwicklung, wenn die überwiegende Anzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche typischerweise bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung genommen habe. Diese Regeln gelten nach dem BGH auch für Beförderungen. Ein Aufstieg sei insbesondere nur dann betriebsüblich, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen erreicht habe. Die Zahlung einer höheren Vergütung setzte voraus, dass der Betriebsrat nur infolge der Amtsübernahme nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen sei. Darüber hinaus gehende Vergütungserhöhungen verstoßen nach dem BGH gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG.

Allerdings stellt der BGH in seiner Entscheidung klar, dass der vom Landgericht ermittelte Sachverhalt unzureichend sei, insbesondere im Hinblick auf die innerbetrieblichen Kriterien für den Aufstieg in höhere Managementkreise und die Bemessung von Bonuszahlungen. Aus diesem Grund konnte vom BGH nicht abschließend beurteilt werden, ob die Bewilligung der Arbeitsentgelte den konkretisierten betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht.

Im Ergebnis wurde das Urteil des Landgerichts Braunschweig aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei wird das Landgericht die vom BGH aufgestellten Grundsätze zu beachten haben.

Einordnung der Entscheidung

Das Gesetz verbietet auch bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern deren Benachteiligung oder Begünstigung wegen ihrer Betriebsratstätigkeit durch den Arbeitgeber (§78 Satz 2 BetrVG). Gegen Benachteiligungen bei der beruflichen Entwicklung, insbesondere bei Tätigkeit, Qualifizierung und Vergütung, durch den betriebsverfassungsrechtlichen Gegenspieler hat der Gesetzgeber in §37 Abs. 5 BetrVG (Tätigkeit), § 38 Abs.4 BetrVG (Qualifizierung) und § 37 Abs. 4 BetrVG (Vergütung) Vorschriften zum Schutz normiert. Die Vergütung und deren Entwicklung darf nach dem Wortlaut des Gesetzes »nicht geringer« sein als bei nach Tätigkeit, Qualifikation und Potenzial zum Zeitpunkt der Amtsübernahme mit ihnen vergleichbaren Arbeitnehmern.

Dieser gesetzliche Wortlaut macht deutlich, dass die dort definierte Untergrenze nicht zugleich die Obergrenze für die Vergütung sein soll. Offenkundig wird das im Hinblick auf lediglich nach Bedarf gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG oder nur zum Teil freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Denn bei ihnen kann die Weiterentwicklung der ihnen übertragenen beruflichen Tätigkeiten und eine damit verbundene Höhergruppierung auf Grund der von ihnen beruflich erbrachten Leistungen offensichtlich über die Entwicklung der früher mit ihnen vergleichbaren Arbeitnehmer hinausgehen. Ein am – missverstandenen -  Wortlaut des § 37 Abs.4 BetrVG klebendes Einfrieren ihrer Gehälter auf das Niveau bei Amtsbeginn festgelegter Vergleichspersonen würde für sie im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG  eine widersinnige Benachteiligung darstellen.

Dieser Bezug auf die neben der Betriebsratstätigkeit ausgeübte berufliche Funktion lässt sich bei der Minderheit der vollständig freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht herstellen. Folgt man den Begründungen des BGH, so würde die für alle Betriebsratsmitglieder geltende Untergrenze des §37 Abs. 4 BetrVG damit allein für die vollständig freigestellten Betriebsratsmitglieder zugleich zur Obergrenze der Vergütung.

Die vollständige Freistellung wäre danach mit dem Verlust der Chance auf eine überdurchschnittliche individuelle Entwicklung sowohl hinsichtlich der beruflichen Karriere als auch der Vergütung verbunden. Zur Vermeidung einer derartigen Benachteiligung hat das Bundesarbeitsgericht auch über den Mindestschutz des §37 Abs. 4 BetrVG hinausgehende Vergütungen in solchen Einzelfällen als nicht bevorzugend, sondern angemessen bewertet, bei der als Maßstab auf eine belegbare und dokumentierte potenzielle berufliche Tätigkeit nach Beendigung der Freistellung abgestellt wurde.

Betriebsratsvergütung: Eine Frage der Ehre? Warum die Vergütung von Betriebsräten nicht mehr zeitgemäß ist und bei der Reformierung des Betriebsverfassungsgesetzes dringend überarbeitet werden muss. Ein Kommentar von Dr. Thomas Klebe auf AuR-Blog.de.

Zusammenfassung und Ausblick

Die strafrechtliche Sanktionsnorm des § 266 StGB kommt allein im Falle von Begünstigungen zur Anwendung und richtet sich dann allein gegen die für die Vergütungsentscheidung zuständigen Vertreter des Unternehmens. Abgesehen von dem in der bisherigen Praxis leider stumpf gebliebenen Schwert des § 119 BetrVG, der sowohl Benachteiligungen als auch Begünstigungen unter Strafe stellt, gibt es keine mit § 266 StGB vergleichbare einseitige Sanktionsnorm zur Vermeidung von Benachteiligungen.

Das damit ohnehin asymmetrische Risiko für Arbeitgeber-Repräsentanten und deren daraus in der betrieblichen Praxis überwiegend folgende Tendenz, eher das Risiko einer – überdies kostengünstigeren – Benachteiligung als das einer aufwändigeren Bevorzugung einzugehen, wird durch die jetzt vom BGH vorgegebene Leitlinie, die bisher bestehende und praktizierte Bandbreite weder bevorzugender noch benachteiligender Regelungen für vollständig freigestellte Mitglieder von Betriebsräten auf die untere Haltelinie des § 37 Abs. 4 BetrVG zu reduzieren, in bedenklicher Weise verstärkt.

Entsprechend gibt es bereits Ankündigungen einzelner Unternehmen, bisher praktizierte Vergütungen vollständig freigestellter Betriebsratsmitglieder nach den Maßstäben des BGH zu überprüfen und ggf. abzusenken. Die sich daraus ergebende Konsequenz für die mit einer vollständigen Freistellung verbundene berufliche Lebensplanung von Betriebsratsmitgliedern begründet die konkrete Gefahr einer qualitativen Schwächung der Betriebsverfassung und der Repräsentation der Beschäftigten.

Dagegen wird sich in entsprechenden Einzelfällen jetzt eine kritische Bewertung im Lichte der bisherigen arbeitsgerichtlichen Praxis und danach ggf. die Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeit von Gehaltsabsenkungen lohnen, sofern diese unter Bezug auf die Entscheidung des BGH und unter Abweichung von der Praxis nach der bisherigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit vorgenommen werden. Auf diesem Wege könnte dann auch eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe herbeigeführt werden, die der BGH durch seinen restriktiven Alleingang leider versäumt hat.

Quelle:

schwegler rechtsanwälte, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin, Oldenburg, München 

© bund-verlag.de (ls)

Quelle

BGH (10.01.2023)
Aktenzeichen 6 StR 133/22
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