Betriebliche Altersvorsorge

Betriebsrente bei Erwerbsminderung früher fällig

16. April 2018
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Quelle: Wolfilser_Dollarphotoclub

Ein Arbeitnehmer kann bei Erwerbsminderung auch die Betriebsrente rückwirkend früher in Anspruch nehmen. Eine Bestimmung der Pensionskasse, die den Anspruch auf die Zukunft beschränkt oder an zusätzliche Nachweise knüpft, ist unwirksam. Von Bettina Krämer.

Der Fall

Ein Arbeitnehmer hatte gegenüber der Pensionskasse seines Arbeitgebers eine Anwartschaft auf Betriebsrente erworben. Später war er aus dem Betrieb ausgeschieden.  Zehn Jahre danach erhielt er von der Deutschen Rentenversicherung mit Bescheid vom November 2015 Jahre eine Erwerbsminderungsrente bewilligt, rückwirkend ab Jahresbeginn 2013. Daraufhin beantragte der ehemalige Arbeitnehmer auch bei der Pensionskasse die Betriebsrente. Diese wurden ihm ab November 2015 bewilligt. Eine rückwirkende Leistung ab Anfang 2013 lehnte die Pensionskasse ab. Hiergegen klagte der Arbeitnehmer und gewann. Er erhielt die Betriebsrente rückwirkend.

Ab wann besteht Anspruch auf die Betriebsrente?

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Pensionskasse gaben vor, dass die Betriebsrente erst ab dem Monat der Antragstellung gezahlt wird und mit dem Antrag »die vom Vorstand verlangten Nachweise « vorzulegen sind. Diese Regelung hat das LAG Düsseldorf zu Recht für unangemessen und unwirksam erklärt.  Der Antrag muss auch ohne die Vorlage von Nachweisen möglich sein. 

Pensionskasse nicht schutzbedürftig

Bereits ab dem Eingang des einfachen Antrags kann die Pensionskasse Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, weiteren Schutzes bedarf die Kasse nicht. Ferner kann es nicht sein, dass der Beginn einer Betriebsrente davon abhängt, wie schnell die maßgeblichen Stellen im jeweiligen Fall arbeiten. Denn, wenn der Rentenversicherungsträger oder auch ein Amts- oder Werksarzt zu Unrecht das Vorliegen einer Erwerbsminderung verneint, muss der Arbeitnehmer Widerspruch erheben und eventuell auch klagen. Bei Anwendung der AVB könnte der Arbeitnehmer erst dann Rente bekommen, wenn er nach einigen Jahren vor Gericht Recht bekommen hat. Dies darf nicht sein, denn dann hinge der Zeitpunkt, ab dem es Betriebsrente gibt, von der Bearbeitungsdauer der Rentenversicherung oder der Gerichte ab.

Tipps für die Praxis

Betriebsrente geht bei Arbeitgeberwechsel nicht verloren

Ansprüche aus Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung verfallen nicht, wenn ein Arbeitnehmer schon für einer bestimmte Mindestanzahl von Monaten (Anwartschaftsmonate)  eingezahlt hat.

Das heißt, die Anwartschaft bleibt dem Arbeitnehmer auch erhalten, wenn er bei den Betrieb wechselt oder vor Rentenbeginn aus dem Unternehmen ausscheidet. Zudem besteht die Möglichkeit,  die erworbenen Anwartschaften zum neuen Arbeitgeber mitzunehmen, wenn sich alle Beteiligten – Arbeitnehmer, ehemaliger und neuer Arbeitgeber - darüber einig sind.

Das funktioniert so: Der neue Arbeitgeber kann die Zusage des ehemaligen Arbeitgebers übernehmen, oder aber den Wert der unverfallbaren Versorgungs­­­anwartschaften wird in das neue Betriebsrentensystem übertragen.

Achtung Steuern!

Aber Vorsicht: Versorgungskapital kann nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (West) der gesetzlichen Rentenversicherung ohne steuerrechtliche Nachteile auf den neuen Arbeitgeber übertragen werden. Sollte die Übertragung höher ausfallen, sollte man sich steuerlich beraten lassen.  Auch sollte vorher abgefragt werden, ob mit der Übertragung auch neue Abschlusskosten entstehen.

Wie kann der Betriebsrat helfen?

Der Betriebsrat hat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Sorge zu tragen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Sind also Regelungen zur betrieblichen Altersvorsorge in einem Tarifvertrag enthalten, ist es die Pflicht des Betriebsrates die Einhaltung des Tarifvertrags zu prüfen. Ferner  hat er bei bestimmten Renten ein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, wann Anwartschaften entstehen und erlöschen und welche Ansprüche sich hieraus ergeben. Je nachdem, ob eine Direktzusage, Direktversicherung, Unterstützungskasse, Pensionskasse oder Pensionsfond vereinbart wurden, können die Mitbestimmungsrechte eingeschränkt sein. Hier lohnt dann eine Betriebsvereinbarung. Nicht selten ist der Betriebsrat die erste Anlaufstelle für Betroffene. Daher sollte der Betriebsrat sich mit dem Regelwerk der betrieblichen Altersversorgung auskennen, das für seinen Betrieb oder sein Unternehmen gilt. Ist der Betriebsrat sich bei Rechtsfragen nicht sicher, kann das Gremium rechtlichen Rat einholen.

Bettina Krämer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Düsseldorf (22.12.2017)
Aktenzeichen 6 Sa 983/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 18.4.2018.
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