Schwerbehindertenrecht

Bewerber sind auch bei rein interner Stellenausschreibung einzuladen

26. Juni 2020
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Quelle: © momius / Foto Dollar Club

Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte oder gleichgestellte Personen zu einem Vorstellungsgespräch einladen, wenn sie sich auf eine Stelle bewerben und nicht »offensichtlich ungeeignet« sind. Das gilt auch bei rein internen Stellenausschreibungen – so das Bundesarbeitsgericht.

Geht dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, muss er diese nach zu einem Vorstellungsgespräch einladen, wenn sie nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist (§ 165 Satz 3 SGB IX). Das Unterlassen einer Einladung kann einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nach sich ziehen – deshalb sind die Details der Einladungspflicht oft umstritten. Hier hat das BAG einen solchen Fall auf der Basis der alten Regelung (§ 82 Satz 2 SGB IX in der Fassung bis zum 29.12.2016) entschieden – sie ist inhaltlich identisch mit der neuen Fassung in § 165 SGB IX.

Darum geht es:

Im März 2016 schrieb die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit  (BA) intern zwei Stellen als Personalberater aus. Dabei war eine Stelle bei der Agentur für Arbeit in Cottbus zu besetzen, die andere Stelle bei der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte.

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer war schon langjährig bei der BA beschäftigt. Er bewarb sich auf beide Stellen, für die identische Anforderungsprofile bestanden. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg führte für beide Stellen jeweils ein Auswahlverfahren nach identischen Kriterien durch. Der Kläger wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, allerdings nur betreffend die Stelle in Berlin. Er erhielt den Hinweis, dass die Ergebnisse des Auswahlgesprächs auch in das Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle in Cottbus einfließen würden. Beide Bewerbungen blieben erfolglos.

Der Arbeitnehmer verlangte von der Bundesagentur daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Er war der Auffassung, die BA habe ihn entgegen den Vorgaben des SGB IX und des AGG wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies folge daraus, dass er nicht auch zu einem Vorstellungsgespräch für die Stelle in Cottbus eingeladen wurde. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) verurteilte die Bundesagentur, dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsentgelts zu zahlen. Die BA haben mit der Nichteinladung gegen § 82 Satz 2 SGB IX alter Fassung (heute § 165 Satz 3 SGB IX) verstoßen. Dies spreche für eine Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung im Sinne des AGG.

Das sagt das BAG

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gab der Bundesagentur für Arbeit Recht. Die BA habe den Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und schulde ihm deshalb auch keine Entschädigung.

Zwar müsse der öffentliche Arbeitgeber, dem die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugeht, diese auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung zu einem Vorstellungsgespräch einladen.

Dieser Verpflichtung sei die Beklagte allerdings ausreichend nachgekommen:

  • die für die Besetzung beider Stellen zuständige Regionaldirektion Berlin-Brandenburg habe den  Kläger zu einem Vorstellungsgespräch betreffend die Stelle in Berlin-Mitte zu besetzende Stelle mit identischem Anforderungsprofil eingeladen
  • das Auswahlverfahren sei nach identischen Kriterien durchgeführt worden und eine Vertreterin der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg habe den Auswahlkommissionen für beide Stellen angehört.

Hinweis für die Praxis

 Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat in diesem Fall keine Entschädigung erhalten, weil das BAG zu dem Schluss kam, dass die Arbeitsagentur alle Vorgaben erfüllt hat. Wichtig ist allerdings die Aussage, dass die Einladungspflicht nach § 165 SGB IX auch besteht, wenn der Arbeitgeber eine Stelle nur intern ausschreibt.

Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung sollten bei Stellenausschreibungen immer darauf achten, dass der Arbeitgeber die schwerbehinderten Menschen und die ihnen Gleichgestellten wie vom Gesetz vorgesehen berücksichtigt.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (25.06.2020)
Aktenzeichen 8 AZR 75/19
BAG, Pressemitteilung vom 25.6.2020
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