Kündigungsschutz

Bezeichnung als »Ming-Vase« als Kündigungsgrund

18. Mai 2021
Vase Porzellan China Ming Antiquität
Quelle: Pixabay.com/de | Bild von cocoparisienne

Der Vorwurf erschließt sich erst auf den zweiten Blick: Ein Kaufhaus will eine Verkäuferin und Betriebsrätin fristlos kündigen, die ihre Vorgesetzte als "Ming-Vase" bezeichnet hatte. Das Gericht ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats. Die Verkäuferin habe ihre Vorgesetzte nicht schmeichelhaft mit einer wertvollen Antiquität verglichen, sondern sich rassistisch geäußert - so das Arbeitsgericht Berlin.

Darum geht es:

Die Verkäuferin habe zunächst gegenüber einer Kollegin gesagt, „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase“. Sie habe auf Nachfrage eines anwesenden Vorgesetzten, was damit gemeint sei erklärt „Na Sie wissen schon, die Ming-Vase“ und die Augen mit den Fingern nach hinten gezogen, um eine asiatische Augenform zu imitieren.

In der dann erfolgten Anhörung durch den Arbeitgeber zu dem Vorfall habe die Verkäuferin erklärt, eine Ming-Vase stehe für sie für einen schönen und wertvollen Gegenstand. Das Imitieren der asiatischen Augenform sei erfolgt, um nicht „Schlitzauge“ zu sagen, bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde.

Der Arbeitgeber wollte die Verkäuferin deshalb fristlos kündigen. Dafür war die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich, weil die betroffene Verkäuferin als Ersatzmitglied in den Betriebsrat nachgerückt war. In diesem Fall ist auch eine Kündigung ohne Kündigungsfrist zustimmungspflichtig (§§ 103 BetrVG, 15 KSchG). Der Betriebsrat hat seine Zustimmung mit der Begründung verweigert, er verurteile Rassismus aufs Schärfste, sehe aber bei der betroffenen Verkäuferin kein rassistisches Gedankengut.

Der Arbeitgeber beantragte beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung zu ersetzen.

Das sagt das Gericht:

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ersetzt. Zur Begründung führt das Gericht aus: Die Bezeichnung einer Vorgesetzten als „Ming Vase“ und die weitere Erläuterung durch eine Geste des Nach-Hinten-Ziehens der Augen und Wiederholung „Na Sie wissen schon, die Ming-Vase“ könne ein Grund für die außerordentliche Kündigung einer Verkäuferin in einem Kaufhaus mit internationalem Publikum sein, wenn aus den nachfolgenden Erklärungsversuchen eine Verfestigung der dahinterstehenden Haltung zu erkennen sei.

Die Bezeichnung der mit den Worten „Ming-Vase“ gemeinten Vorgesetzten und die zur Verstärkung der Worte verwendeten Gesten der Mitarbeiterin seien zur Ausgrenzung von Mitmenschen anderer Herkunft, deren Beleidigung und zu deren Herabsetzung geeignet und rechtfertigen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls eine außerordentliche Kündigung.

Das Arbeitsgericht kam zu dem Schluss, in der Gesamtbetrachtung liege eine rassistische Äußerung vor, die die Pflicht zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeber verletze. Hierin liege eine erhebliche Herabwürdigung der gemeinten Vorgesetzten. Zudem sei es für ein Kaufhaus von internationalen Ruf nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als Ming Vase oder Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichnen könnte.

Gegen die Entscheidung kann noch Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.


Hinweis für die Praxis:

Über die Kündigung selbst haben die Gerichte noch nicht entschieden - diese werden den Vorgang noch prüfen. Auch wenn letztlich nicht jeder Einzelfall eine fristlose Entlassung rechtfertigt, sind rassistische und diskriminierende Äußerungen am Arbeitsplatz sehr ernst zu nehmen und geeignet, eine Kündigung zu begründen. 

Erst kürzlich hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) angekündigt, einen neuen Straftatbestand der »verhetzenden Beleidigung« einzuführen. Damit soll eine Strafbarkeitslücke zwischen der Beleidigung (§ 185 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB) geschlossen werden. Der neue Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung (als neuer § 192a StGB) soll Personen und Gruppen schützen, die unter anderem aufgrund ihrer nationalen, religiösen oder ethnischen Herkunft, ihrer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung beschimpft, verleumdet oder verächtlich gemacht werden.

Dabei geht es konkret um hetzerische Nachrichten, die direkt an die Betroffenen gerichtet werden. Diese würden von den bestehenden Strafvorschriften meist nicht erfasst, erklärte Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD). Eine Volksverhetzung liege zumeist nicht vor, weil die Nachricht nicht öffentlich verbreitet würden. Für eine strafbare Beleidigung sei ein konkreter Bezug zu der betroffenen Person erforderlich. Der Strafrahmen bei verhetzenden Beleidigungen solle bei Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe liegen (BMJV, Pressemitteilung vom 12.5.2021).

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

ArbG Berlin (05.05.2021)
Aktenzeichen 55 BV 2053/21
ArbG Berlin,Pressemitteilung Nr. 15/21 vom 18.05.2021
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