Kündigung

Computerfunde rechtfertigen Verdachtskündigung

06. August 2019
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Quelle: © yvonneweis / Foto Dollar Club

Für eine Verdachtskündigung genügt es schon, dass eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers hinreichend wahrscheinlich ist. Der Arbeitgeber kann den Verdacht auch auf Zufallsfunde auf dem dienstlichen Computer des Arbeitnehmers stützen. Von Margit Körlings.

Darum geht es:

Die Arbeitgeberin stellte dem Arbeitnehmer einen Pkw nebst Tankkarte zur Verfügung. Der Tank des Pkw wies nach Herstellerangaben ein Volumen von 93 Litern auf.

Der Arbeitnehmer wurde verdächtigt, Geschäftsgeheimnisse an Dritte weitergegeben zu haben. Deshalb ließ die Arbeitgeberin seinen Dienst-Laptop untersuchen. Er gab den Rechner heraus und wies darauf hin, dass sich einige, von ihm näher bezeichnete die private Dateien auf dem PC befänden.

Auf dem Rechner befand sich ein Dateiordner mit Tankbelegen. Eine Auswertung dieser Belege ergab, dass die Tankkarte auch an Wochenenden, Feiertagen und während des Urlaubs des Arbeitnehmers benutzt worden war.

Die Arbeitgeberin hatte daher den Verdacht, dass der Arbeitnehmer die Tankkarte auf ihre Kosten auch für andere Fahrzeuge benutzt hat. Nachdem sie den Arbeitnehmer zum Verdacht angehört hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis.

Der Arbeitnehmer erhob eine Kündigungsschutzklage. Gegen den Verdacht wandte er ein, der Tank seines Dienstwagens umfasse deutlich mehr als 93 Liter. Dazu hatte er ein Privatgutachten eingeholt. Zudem hätten die Ergebnisse der Untersuchung des Rechners nicht verwertet werden dürfen. Die Analyse sei »ins Blaue hinein« erfolgt.

Stichwort: Verdachtskündigung

  • Die Verdachtskündigung ist ein eigenständiger Kündigungsgrund. Während eine Tatkündigung auf einer erwiesenen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers beruht, ist der Grund für die Verdachtskündigung das zerstörte Vertrauen. Dem Arbeitgeber muss es unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
  • Dazu muss der Verdacht dringend sein und auf konkreten Tatsachen beruhen, die der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass sich das Geschehen so zugetragen hat, wie der Arbeitgeber es darstellt.
  • Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, den Sachverhalt aufzuklären. Daher ist bei dieser Kündigungsart Voraussetzung, dass er den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu dem Verdacht anhört (BAG 18.06.2015 -2 AZR 256/14 Rn. 20).
  • Schließlich muss eine Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen, dass auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre, wenn der Vorwurf gegen den Arbeitnehmer erwiesen wäre.
  • Eine starre Frist wie für die außerordentliche Kündigung (Zwei-Wochen-Frist, § 626 Abs. 2 BGB) gibt es nicht. Dennoch muss der Arbeitgeber bei Verdacht  zügig entscheiden. Er darf einen Verdacht nicht für längere Zeit als Kündigungsgrund »auf Vorrat« halten.

Das sagt das Gericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärte die Kündigung für wirksam. Zum einen hält das BAG den Verdacht des Arbeitgebers für plausibel. Bei einem mehrmaligen Tanken über 93 Liter hinaus hätte der Kläger den Tank jedes Mal punktgenau leer fahren müssen. Er hätte dabei immer wieder riskiert, mit dem Fahrzeug liegen zu bleiben. Dies habe der Kläger selbst nicht behauptet.

Zum anderen durfte der Arbeitgeber seinen Verdacht auch auf die gefundenen Tankbelege stützen. Dies steht nach Ansicht des BAG im Einklang mit dem Datenschutz.

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen Arbeitgeber für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses personenbezogene Daten eines Beschäftigten erheben, verarbeiten oder nutzen, wenn dies für das Durchführen oder Beenden erforderlich ist (§ 26 BDSG-neu; das BAG entschied in diesem Fall noch auf der Basis von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a. F.).

Zum »Durchführen« des Arbeitsverhältnisses gehört auch die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt. Zum »Beenden« gehören Maßnahmen zum Vorbereiten einer Kündigung wie das Aufdecken einer Pflichtverletzung, die die Kündigung rechtfertigen kann. Das Erheben der Daten muss erforderlich sein.

Der Kläger hatte behauptet, die bei der Kontrolle gefundenen Daten seien ausschließlich »privat«. Beim Dateiordner der Tankbelege war nicht offenkundig, dass der Ordner »privater« Natur sein soll. Der Kläger musste daher mit einem Zugriff seines Arbeitgebers auf diese Daten in seinem Dienst-Laptop rechnen.

Tipp für den Betriebsrat

Technische Leistungs- und Verhaltenskontrollen durch den Arbeitgeber unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Eine Betriebsvereinbarung sollte festhalten:

  • dass der Arbeitgeber solche Kontrollen nur durchführen oder durchführen lassen darf, soweit die Betriebsvereinbarung dies selbst gestattet,
  • dass der Arbeitgeber aus anderen Gründen gespeicherte Daten nicht zum Zwecke der Leistungs- oder Verhaltenskontrolle auswerten darf,
  • dass der Arbeitgeber personelle Maßnahmen nicht auf solche oder auf rechtswidrig erhobene Daten stützen darf und das Einführen in ein gerichtliches Verfahren ausgeschlossen ist (Beweisverwertungsverbot).

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (31.01.2019)
Aktenzeichen 2 AZR 426/18
Sie erhalten diese Entscheidungsbesprechung als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 7.8.2019.
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