Kündigung

Den Chef auslachen ist nicht immer ein Kündigungsgrund

05. Mai 2020
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Quelle: © S. Engels / Foto Dollar Club

Es kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn ein Mitarbeiter öffentlich die Kompetenz eines Vorgesetzten anzweifelt und ihn auslacht. Allerdings kommt es auf alle Umstände des Einzelfalls an - besonders wenn der Verdacht besteht, der Arbeitgeber wolle ein Betriebsratsmitglied loswerden. Von Margit Körlings.

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darum, ob der Betriebsrat der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds oder dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat zustimmen muss, dem der Arbeitgeber «respektloses Verhalten« vorwirft.

Darum geht es:

Der Arbeitgeber führt einen metallverarbeitenden Betrieb mit über 60 Mitarbeitern. Im November 2018 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Arbeitnehmer, der auch Mitglied des Betriebsrats ist, und seinem Vorgesetzten.

Eine Arbeitnehmerin hatte sich geweigert, auf Anweisung eines Abteilungsleiters eine Maschine zu starten, um Mitarbeiter einer externen Reinigungsfirma nicht zu gefährden. Es kam zu einer Auseinandersetzung, an der sich das Betriebsratsmitglied beteiligte.

Der Arbeitnehmer soll den Abteilungsleiter wie folgt beschimpft haben: »Sergej, es geht gar nicht, dass Du mit Frau Katrin G. so redest bzw. umgehst und dass Dir die Sicherheit der Mitarbeiter intern und extern als Sicherheitsverantwortlicher der Firma scheißegal ist. Ich stelle Deine Fachkompetenz gegenüber Kollegen hiermit in Frage und werde mich darüber beschweren.« Zudem soll er fünf Minuten danach einen schweren Ziehsteinhalter fallen gelassen haben. Er wurde zur Rede gestellt. So könne er nicht mit dem Eigentum der Firma umgehen. Der Arbeitnehmer soll gegrinst und lachend geantwortet haben, dass ihm der Stein aus der Hand gerutscht sei.

Dem Arbeitnehmer waren bereits zuvor im November 2017 und Februar 2018 Abmahnungen erteilt worden, einmal wegen »respektlosen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten«, einmal »wegen Verstoßes gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht«.

Der Arbeitnehmer soll fristlos entlassen werden. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung, ebenso den Ausschluss des Arbeitnehmers aus dem Betriebsrat.

Der Arbeitgeber beantragte beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung zu ersetzen. Hilfsweise verlangte er den Ausschluss des Arbeitnehmers aus dem Betriebsrat.  Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel wies beide Anträge zurück (10.4.2019 - 3 BV 33/18).

Das sagt das Gericht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg bestätigte diese Entscheidung und wies die Beschwerde des Arbeitgebers zurück.

Außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt

Ein Mitglied des Betriebsrats kann während seiner Amtszeit nur aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs. 1 KSchG). Der Betriebsrat muss zustimmen (§ 103 Abs. 1 BetrVG). In diesem Fall lag nach Auffassung der Arbeitsgerichte schon kein wichtiger Grund für die Kündigung vor, so dass die Zustimmung nicht zu ersetzen war.

Pflicht zur Rücksichtnahme

Als wichtiger Grund kann auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten »an sich« eine fristlose Kündigung rechtfertigen (BAG 18.12.2014 -2 AZR 265/14). Zu den Nebenpflichten zählt insbesondere die gegenseitige Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen. Dazu gehören grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, des Vorgesetzten oder von Arbeitskollegen (BAG 27.09.2012 –  2 AZR 646/11). Eine verbale Auseinandersetzung kann ausreichen, etwa wenn ein Mitarbeiter den Vorgesetzten zudem in Gegenwart anderer Mitarbeiter anbrüllt, ihn mit einem respektlosen Umgang lächerlich macht, seine Fachkompetenz anzweifelt und ihn auslacht. Es rückt dann die Herabwürdigung der Person des Vorgesetzten in den Vordergrund, während die sachliche Kritik zurücktritt.

Abwägung zugunsten des Arbeitnehmers

Im vorliegenden Fall entschied das Gericht aber zugunsten des Arbeitnehmers und Betriebsratsmitglieds. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im Vorfeld des Gesprächs es um eine Auseinandersetzung über Sicherheitsaspekte beim Starten einer Maschine ging. Es ist zudem abzuwägen, ob im Rahmen betrieblicher Auseinandersetzungen der Bereich der zu gewährleistenden Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz (GG) noch gedeckt ist oder nicht. Es geht um ein hohes Gut, den Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Angesichts der besonderen Situation ist dies höher zu bewerten.

Auch der mutmaßlich vorsätzlich zu Boden fallen gelassenen Stein reicht nicht aus. Der Arbeitgeber habe hier nur seine Vermutungen dargetan, aber keinen Beweis angeboten. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung lag daher nicht vor.

Kein Ausschluss aus dem Betriebsrat

Auch den Ausschluss aus dem Betriebsrat sahen die Arbeitsgerichte nicht als geboten an. Ein Betriebsratsmitglied kann aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn ein grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten vorliegt (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Dies ist der Fall, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Unter Berücksichtigung aller Umstände muss die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitgliedes untragbar erscheinen (BAG 27.07.2016 - 7 ABR 14/15, BAG 22.06.1993 -1ABR 62/92).

In diesem Fall stand der Konflikt zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vorgesetzten allerdings nicht im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit. Zudem folgerte das Gericht zumindest aus der Abmahnung von 2017, dass es wohl persönliche Differenzen zwischen dem Betriebsratsmitglied und dem Abteilungsleiter gab. Ein Ausschlussgrund war daher nicht vorhanden.

Hinweis für die Praxis

Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist die Sachverhaltsaufklärung das A und O. Dies ist aber Sache des Arbeitgebers, der den Kündigungsgrund oder Gründe für den Ausschluss aus dem Betriebsrat beweisen können muss. Gleichwohl sollte der Betriebsrat immer das Gespräch mit dem betroffenen Arbeitnehmer suchen und sich möglichst selbst ein Urteil über das Geschehen bilden.

Wenn der Betriebsrat über die Anträge des Arbeitgebers beschließt, muss der Betriebsratsvorsitzende darauf achten, dass das betroffene Betriebsratsmitglied nicht an der Beschlussfassung teilnimmt. Zudem ist genau darauf zu achten, dass das richtige Ersatzmitglied zur Sitzung geladen wird und teilnimmt.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (17.12.2019)
Aktenzeichen 7 TaBV 1479/19
Diese Entscheidung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 6.5.2020.
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