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Der Arbeitgeber darf E-Mails nicht verwerten

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Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Wer seinen Chef in E-Mails als »Russenarschloch« bezeichnet, riskiert die fristlose Kündigung. Doch darf der Arbeitgeber E-Mails seiner Mitarbeiter nicht ohne weiteres lesen. Und folglich die Kündigung nicht auf deren Inhalt stützen. Das Beweisverwertungsverbot schützt die Beschäftigten – so das LAG Hessen in Folge des Keylogger-Urteils.

Es geht um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und dabei um die Frage, ob der Arbeitgeber als Beweis für die Kündigungsgründe E-Mails der Beschäftigten auswerten durfte.

Zum Hintergrund

Es kommt öfter vor, dass Arbeitgeber in E-Mails der Beschäftigen etwas finden, was ihnen nicht passt. Doch dürfen sie Mails nur im Ausnahmefall überhaupt lesen. Ist nämlich im Betrieb das Schreiben privater Mails zugelassen, so gilt der Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter. Er muss das Fernmeldegeheimnis wahren. Eine zielgerichtete Auswertung von Mails privaten Inhalts durch den Arbeitgeber ist in diesem Fall grundsätzlich ausgeschlossen.

Im Jahr 2017 hatte das BAG entschieden, dass der Arbeitgeber nicht ohne sachlichen Grund alle Eingaben des Arbeitnehmers an seinem dienstlichen PC überwachen darf. Der Einsatz solcher Überwachungsmittel, z. B.einer Keylogger-Software, ist nur begründetem Verdacht einer Straftat oder einer ähnlich schweren Pflichtverletzung erlaubt. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, sind die bei der Überwachung gewonnenen Erkenntnisse im Kündigungsschutzprozess unverwertbar, so das BAG (27.07.2017 - 2 AZR 681/16).

Das war der Fall

Der Senior Produkt Manager in einem auf den Handel von Chemikalien spezialisierten Handelshaus kassiert im Jahre 2017 eine fristlose Kündigung, nachdem sein Chef seinen E-Mail-Account eingesehen und dort Mails mit massiv beleidigendem und sogar geschäftsschädigendem Inhalt gefunden hat. Der Chef wird dort als »Russenarschloch«, »Idiot«, »Flasche« beschimpft. Der Betrieb wird als »Kolchosebude« bezeichnet, es heißt: »hier gibt’s nur Borscht«. Der Chef war durch Kunden auf diesen E-Mail-Verkehr aufmerksam geworden. Eigentlich hatte der Produkt Manager sämtliche Mails bereits gelöscht, außer der allerletzten, die dann die vorhergehenden im Anhang noch mit umfasste.

Der Chef hält nun aufgrund dieser massiven, in den Mails geäußerten Schmähkritik und den sogar rassistischen Äußerungen die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Mitarbeiter für nicht zumutbar und kündigt ihn fristlos – dies obwohl dieser kurz zuvor selbst die Kündigung eingereicht hatte. Es geht also letztlich darum, ob das Abwarten dieser Kündigungsfrist zumutbar war. Gegen die Kündigung erhebt der Produkt Manager Kündigungsschutzklage.

Das sagt das Gericht

Das Gericht hält die außerordentliche Kündigung hier nicht für wirksam.

Kündigungsgrund gegeben

Zwar sind Äußerungen wie »Russen Arschloch« in Verbindung mit  »Flasche« und »Russen Ei« sowie »Russen Idiot« an sich durchaus ein Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Vor allem die Bezeichnung des Chefs als »Russen Arschloch« stelle – so die Richter – für sich betrachtet eine schwerwiegende Verunglimpfung dar, die zudem noch rassistischen Inhalts sei, da mit der Äußerung auf die (ethnische) Herkunft des Geschäftsführers angespielt wird.

Der Kläger bringt darin eine Haltung zum Ausdruck, die von dem Fehlen jeden Respekts gegenüber der Leitung des Unternehmens gekennzeichnet ist. Nach Ansicht der Richter ist damit die Grenze zu einer unzulässigen »Schmähkritik« überschritten, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG gedeckt ist.

Kündigung scheitert an Beweisverwertungsverbot

Allerdings scheitert die Kündigung, da die die fristlose Kündigung rechtfertigenden Tatsachen im Prozess nicht verwertet werden durften. Denn von diesen Tatsachen hat der Arbeitgeber nur Kenntnis erlangt, in dem er Einsicht in den Mail-Account genommen hat. Und das durfte er nicht. Im Betrieb waren private Mails zugelassen. Damit hat, um die Privatsphäre der Mitarbeiter zu schützen, der Arbeitgeber nur begrenzte Zugriffsmöglichkeiten. Eine routinemäßige Kontrolle – wie das bei reinen Dienstmails möglich wäre – ist hier jedenfalls nicht möglich.

Auch aufgrund des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), das ausnahmsweise den Zugriff auf Beschäftigtendaten erlaubt, war der Arbeitgeber hier nicht befugt, die Mails zu lesen. Dies wäre der Fall gewesen, wenn es sich um den Verdacht schwerer Straftaten gehandelt hätte (§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F.). Der Hinweis von Kunden, dass der Kläger sich geschäftsschädigend geäußert habe, lässt nicht auf eine Straftat schließen. Anhaltspunkte für eine einer Straftat vergleichbar schwerwiegenden Pflichtverletzung des Klägers, lassen sich nicht entnehmen.

Das ist zu beachten

Das Lesen von E-Mails durch den Arbeitgeber stellt immer einen schweren Eingriff in die persönlichen Daten der Beschäftigten dar. Vor allem dann, wenn im Betrieb das Schreiben privater E-Mails zugelassen ist, verdient diese Kommunikation einen besonderen Schutz. Denn es muss in jedem Fall verhindert werden, dass der Arbeitgeber auf private E-Mails zugreifen kann. Daher ist wirklich nur im Ausnahmefall, wenn es um den Verdacht schwerer Straftaten geht, der Zugriff auf Mails erlaubt. Ansonsten nicht – mit der Folge, dass Kenntnisse aus E-Mail-Verkehr auch nicht im Prozess verwertet werden dürfen.

Lesetipp:

»BAG stoppt Kontrolle durch Spähsoftware« (BAG 27.07.2017 - 2 AZR 681/16), bund-verlag.de 28.7.2017

© bund-verlag.de (fro)

Quelle

LAG Hessen (21.09.2018)
Aktenzeichen 10 Sa 601/18
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