Betriebsratsarbeit

Der Ratgeber für Ihre Betriebsratssprechstunde

Helml, Arbeitnehmer fragen
Quelle: Bund-Verlag

Als Betriebsrat sind Sie im Betrieb die erste Anlaufstelle für Fragen der Arbeitnehmer. Unser Ratgeber »Arbeitnehmer fragen – Betriebsräte antworten« von Dr. Ewald Helml leistet dabei schnelle Hilfe. Als Kostprobe hier die Antwort auf die Frage: Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf Verlangen Überstunden zu leisten?

Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf Verlangen Überstunden zu leisten?

Fall:

In einer Abteilung eines Industriebetriebs zeichnet sich am Dienstag einer Woche ab, dass die Produktion bis Freitag nur mit je sechs Überstunden für die betroffenen 25 Arbeitnehmer zu erledigen ist; es handelt sich um einen fristgebundenen Auftrag, der bis spätestens Samstag 8.00 Uhr fertig sein muss, weil er dann abgeholt wird. Der Betriebsrat hat in einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung Überstunden bis zu 15 Stunden/Monat je Mitarbeiter generell zugestimmt. Der Arbeitnehmer Müller kommt in die Sprechstunde des Betriebsrats und erklärt, dass er damit nicht einverstanden ist. Mittwoch und Donnerstag habe er nach Ende der regulären Arbeitszeit etwas anderes vor und am Freitag um 15.00 Uhr möchte er wegfahren. Gerade dieser Arbeitnehmer wird aber als Techniker unbedingt benötigt.

Darum geht es:

Muss der Arbeitnehmer hier Überstunden machen? Unter welchen Voraussetzungen kann ein Arbeitnehmer die Erbringung von Überstunden verweigern?

Antwort

Hier stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die Verweigerung betriebsnotwendiger Überstunden für den betroffenen Arbeitnehmer hat. Da die erforderliche Zustimmung durch den Betriebsrat im Sinne einer generellen Einverständniserklärung bis zu einer bestimmten – hier nicht überschrittenen – Grenze der Dauer der Überstunden im Monat gegeben
ist, können aus der betriebsverfassungsrechtlichen Sicht des Mitbestimmungsrechts keine Schwierigkeiten entstehen. Hier geht es ausschließlich um die Problematik, ob die Nichterfüllung der vom Arbeitgeber dringend gewünschten Überstunden als eine arbeitsrechtliche Pflichtwidrigkeit angesehen werden muss.

Zusammenfassung:

Dies hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer in derartigen Situationen, verpflichtet werden kann, Überstunden bis zu einem bestimmten Maß zu leisten oder ob er sich auf die Position zurückziehen kann, er schulde nur die reguläre Arbeitsleistung und er sei zu keiner weiter gehenden Arbeitserbringung verpflichtet. Die Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber stellt nach allgemeiner Ansicht eine Sonderverpflichtung im Arbeitsverhältnis dar, die über den arbeitsvertraglich vorgesehenen Regelumfang der Arbeitsleistung hinausgeht.

Wenn sich ein Arbeitnehmer weigern sollte, die angeordneten Überstunden zu leisten, kann das durchaus im Rahmen einer Rüge im Arbeitsverhältnis (also einer Abmahnung) und im Extremfall auch kündigungsrechtlich relevant werden. Regelmäßig stellt die Weigerung des betroffenen Arbeitnehmers, dringend erforderliche Überstunden zu leisten, eine Arbeitspflichtverletzung dar, die aber regelmäßig nicht so schwer einzustufen ist, als wenn der Arbeitnehmer die Erfüllung der regulären Arbeitszeit rechtsgrundlos verweigert.

Wichtige Begriffe

Verpflichtung zur Arbeitsleistung

Ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung (LAG Köln 27.4.1999 – 13 Sa 1380/98) kann vorliegen, wenn

  • Überstunden in zulässiger Weise angeordnet wurden und dringend erforderlich waren und
  • sich der Arbeitnehmer geweigert hat, diese Überstunden zu leisten, und
  • der Arbeitnehmer einschlägig abgemahnt wurde.

Hat der Arbeitnehmer allerdings bereits in der Zeit vor den streitigen Überstunden solche in erheblichem Maß geleistet, kann die Weigerung, auch wenn sie zu Unrecht erfolgt sein sollte, nach den Umständen des Einzelfalls lediglich ein minder schwerer Fall der Störung im Leistungsbereich sein. Dies hätte zur Folge, dass der Ausspruch einer Abmahnung oder einer Kündigung eher ausscheidet.

Betrieblicher Lösungsversuch sachgerecht

Wenn der Arbeitnehmer im Beispielsfall in den Monaten und Wochen zuvor keine oder zumindest keine umfangreicheren Überstunden leisten musste, kann er durchaus verpflichtet sein, die betrieblich notwendigen Überstunden im geforderten Umfang zu leisten. Der Betriebsrat wird dies klarzustellen haben und kann auch einen Vermittlungsversuch dahin gehend unternehmen, dass dem betroffenen Arbeitnehmer – sofern möglich – diese Stunden durch Freizeitausgleich einige Zeit später abgegolten werden.

Antworten auf weitere 132 Fragen an den Betriebsrat finden Sie in unserem Ratgeber »Arbeitnehmer fragen – Betriebsräte antworten«.

 

© bund-verlag.de (ls)

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