Gratifikation - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Jubiläumsgeld auch nach Renteneintritt

09. September 2014

Beschäftigte erhalten ihr Jubiläumsgeld für eine bestimmte Beschäftigungszeit auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den entsprechenden Zeitraum hinaus fortbesteht. Die Richter des Bundesarbeitsgerichts begründen ihre arbeitnehmerfreundliche Entscheidung auch mit dem Sinn und Zweck des Jubiläumsgeldes.

Ein Sozialpädagoge war von März 1972 bis Februar 2012 bei einem kirchlichen Arbeitgeber beschäftigt. Der anzuwendende Tarifvertrag sieht vor, dass langjährige Beschäftigte »bei Vollendung einer Beschäftigungszeit« von 40 Jahren ein Jubiläumsgeld von 1000 EUR erhalten. Vom 1.01.2009 an befand sich der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Seit dem 1.03.2012, also exakt 40 Jahre nach dem Eintritt bei seinem Arbeitgeber, bezieht er gesetzliche Altersrente.

Zu früh in Rente?

Sein ehemaliger Arbeitgeber weigerte sich, ihm das Jubiläumsgeld auszuzahlen. Er argumentiert, dass gerade der 1. März 2012 der entscheidende Jubiläumstag gewesen sei. An diesem sei der (ehemalige) Mitarbeiter aber nicht mehr Beschäftigter, sondern bereits im Ruhestand gewesen. Während die Vorinstanzen die Klage auf das Jubiläumsgeld abgewiesen hatten entschied das BAG zu Gunsten des Rentners und verurteilten seinen früheren Arbeitgeber zur Zahlung der 1000 EUR.

Belohnung für besondere Betriebstreue

Denn es sei zwar richtig, dass die Fälligkeit des Jubiläumsgeldes genau genommen nicht mit dem letzten Tag der Frist eintritt (29. Februar 2012), sondern erst am folgenden Tag. Dieser sei der eigentliche Jubiläumstag. Dieser Umstand würde dem Anspruch auf Jubiläumsgeld aber nicht entgegenstehen. Nach dem Wortlaut der tariflichen Regelung muss nämlich nur »bei« Vollendung der Beschäftigungszeit ein Arbeitsverhältnis bestehen.

Keine Wortklauberei erlaubt

Der Wortlaut, dass der »Beschäftigte« das Jubiläumsgeld erhält, ist nicht zwingend als Voraussetzung in dem Sinn zu verstehen, dass die Beschäftigung des Jubilars andauert. Auch Sinn und Zweck des Jubiläumsgelds würden für diese arbeitnehmerfreundliche Entscheidung sprechen. Das Jubiläumsgeld soll die besondere Betriebstreue zum Arbeitgeber belohnen. Es wäre übertrieben, auch noch nach Vollendung der jeweiligen Beschäftigungszeit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu verlangen.

Quelle:

BAG, Urteil vom 09.04.2014
Aktenzeichen: 10 AZR 635/13

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Bauer, DGB Rechtsschutz GmbH

Die maßgebliche Tarifvorschrift des öffentlichen Dienstes bestimmt: »Beschäftigte erhalten ein Jubiläumsgeld bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 40 Jahren in Höhe von 1.000,00 Euro.« (vgl. etwa § 23 TVöD). Die Parteien des Arbeitsvertrags, der auf diese Tarifvorschrift des öffentlichen Dienstes in Bezug nimmt, waren sich drin einig, dass der Arbeitnehmer vom 1. März 1972 bis 29. Februar 2012 die geforderte Zeit für den Anspruch auf Jubiläumsgeld zurückgelegt hatte. Und zwar als »Beschäftigter«, weil er sich bis zum letzten Tag im Arbeitsverhältnis befand.

Problem: Kann der Anspruch nach Rentenantritt noch fällig werden?

Der Streit entzündete sich an der zu dieser Tarifvorschrift bestehenden herrschenden Meinung und Rechtsprechung, wonach der Anspruch zwar mit Ablauf des Tages nach Vollendung der vorgesehenen Zeit entsteht, aber dann logischerweise erst am Folgetag zur Zahlung fällig werden kann. Das ist der sogenannte «Jubiläumstag“. Das war hier der 1.März 2012. Da stand der Arbeitnehmer aber bereits nicht mehr im Arbeitsverhältnis.

Der Arbeitgeber meinte nun, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift der Arbeitnehmer auch noch am Jubiläumstag (Fälligkeitstag) »Beschäftigter« sein müsse und bekam von beiden Vorinstanzen Recht. Der Wortlaut sei insofern eindeutig.

BAG: Fälligkeit setzt nicht das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses voraus


Das BAG sah diese Schlussfolgerung ausdrücklich als gar nicht eindeutig an. Es verwies auf eine Reihe von gesetzlichen und auch tariflichen Ansprüchen, wo bei Fälligkeit eines im Beschäftigungsverhältnis erworbenen Anspruchs keineswegs noch ein bestehendes Vertragsverhältnis verlangt wird, also die Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung und den Zahlungsanspruch sich eben nicht decken müssen.

Beispiele dafür sind der Vergütungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch nach §§ 611,615 BGB; § 3 EFZG oder dass Beschäftigte nach § 25 TVöD Anspruch auf betriebliche Altersversorgung haben, ohne zu der Zeit noch beschäftigt sein zu können. Im Gegenteil, wenn das Arbeitsverhältnis an einem bestimmten Tag Voraussetzung sei, werde das gerade ausdrücklich geregelt, wie z.B. in § 20 TVöD für die Jahressonderzahlung.

Belohnung der Betriebstreue ist wichtiger als Wortklauberei


Wie eingangs erwähnt hätte die Entscheidung auch anders ausfallen können, wenn das BAG sich alleine am Wortlaut orientiert hätte. Die differenzierte Betrachtungsweise der höchsten Arbeitsrechtsinstanz überzeugt aber auch aus naheliegenden vernünftigen Gründen, ohne dass man den juristischen Erwägungen im Einzelnen folgen muss.

Jemand, der volle 40 Jahre gearbeitet hat, soll für die Treue zum Arbeitgeber für diese 40 Jahre belohnt werden, die er ja bereits abgeleistet hat. Ist er auch noch am Folgetag beschäftigt, ist das der erste Tag für den Anspruch auf das Jubiläumsgeld über 1200 € für 50jährige Treue (§ 23 Abs.2 c TVöD). Die geforderte Bindung über den 29. Februar 2012 hinaus beträfe also schon nicht mehr den bereits realisierten Anspruch. Das wiederspräche dem Sinn und Zweck des Jubiläumsgelds und wäre reine Wortklauberei.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Nicht zum alten Eisen – So unterstützen Betriebsräte ältere Arbeitnehmer« von Maria Lück in »Arbeitsrecht im Betrieb (AiB)« Ausgabe 5/2012, S. 319 – 322.

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