Kirchliche Arbeitnehmerin - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Pflegerin in der Diakonie mit Islamischem Kopftuch

09. Oktober 2014

Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar.

Rechtlich streiten der Arbeitgeber – ein Bochumer Krankenhaus – und seine Mitarbeiterin über einen Anspruch auf Arbeitsvergütung wegen Annahmeverzugs.

Arbeitsvertrag verweist auf kirchliches Arbeitsrecht

Die Frau, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit 1996 bei der Klinik angestellt, zuletzt als Krankenschwester. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) in Bezug genommen, außerdem die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen.

Die Frau befand sich von März 2006 bis Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig krank. Im April 2010 bot sie schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie ihrem Arbeitgeber mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Klinik nahm dieses Angebot nicht an und zahlte auch keine Arbeitsvergütung.

Mit ihrer Klage fordert die Frau Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs. Schließlich könne sie nichts dafür, wenn ihr Arbeitgeber die von ihr angebotene Arbeitskraft ausschlage. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die für sie ungünstige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Fall an dieses zurückverwiesen.

Kundgabe abweichender Religionszugehörigkeit
Die BAG-Richter führen aus, dass einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden kann. Denn das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar.

Im konkreten Fall sei aber nicht geklärt, ob die Klinik der Evangelischen Kirche überhaupt institutionell zugeordnet ist. Außerdem sei offen, ob die Krankenschwester im fraglichen Zeitraum leistungsfähig war. Das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, weise auf fehlende Leistungsfähigkeit hin. Mit der Vorgabe, dies nachzuprüfen, hat das BAG den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Folgen für die Praxis

Anmerkung von Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH

Lesetipp der AiB-Redaktion:

Zur betrieblichen Kleiderordnung und den Rechten des Betriebsrats: »Kleider machen Leute« von Schulze/Schuhmacher in »Arbeitsrecht im Betrieb« 10/2014, S. 18-20.

Grundsätzlich können sich Arbeitsnehmer auch bei der Ausübung ihrer Arbeit auf die grundgesetzliche geschützte Religionsfreiheit berufen. Gehört zur Religion das Tragen eines Kopftuches für weibliche Personen zur Pflicht, darf dies vom Arbeitgeber grundsätzlich nicht untersagt werden. So hatte 2002 die Verkäuferin eines Kaufhauses den Kündigungsrechtsstreit gegen ihren Arbeitgeber gewonnen, der sie mit Kopftuch nicht weiterbeschäftigen wollte.

Im hier entschiedenen Fall jedoch kollidierte das Grundrecht der Arbeitnehmerin mit dem gleichfalls grundgesetzlich geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Auch »nichtchristliche« Mitarbeiter haben laut der EKD-Loyalitätsrichtlinie des Arbeitgebers den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Die Richtlinie definiere damit – so das Gericht – die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB für die kirchliche Einrichtung. Hieraus ergibt sich in Bezug auf die Religionsfreiheit der Beschäftigten zumindest eine Neutralitätspflicht am Arbeitsplatz.

Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, mit dem ja grundsätzlich die Diskriminierung von Arbeitnehmern verhindert werden sollen. Im dortigen § 9 Abs. 2 AGG heißt es, dass die einer Religionsgemeinschaft zugeordneten Einrichtungen das Recht haben, ihren Beschäftigten loyales Verhalten nach dem Selbstverständnis des kirchlichen Trägers abzuverlangen.

In Einzelfällen könnte eine gerichtliche Entscheidung jedoch abhängig von der konkreten Tätigkeit auch anders ausfallen. Beispielsweise bei Beschäftigten, die ausschließlich in einem Labor arbeiten und wenig Kontakt zu Menschen haben. Dort dürfte das Neutralitätsgebot weniger stark wiegen als bei der im hiesigen Fall betroffenen Krankenschwester.

Lesetipp der AiB-Redaktion:

Zur betrieblichen Kleiderordnung und den Rechten des Betriebsrats: »Kleider machen Leute« von Schulze/Schuhmacher in »Arbeitsrecht im Betrieb« 10/2014, S. 18-20.

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