Leiharbeit

Verdeckte Leiharbeit ist zulässig

03. August 2016

Auch wenn die Leiharbeit durch einen Werkvertrag verdeckt wird, kommt nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Es genügt, wenn der Arbeitgeber eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung eingeholt hat.

Werkeinsatz über neun Jahre

Die Klägerin wurde von 2004 bis 2013 als technische Zeichnerin in einem Automobilkonzern eingesetzt. Sie will festgestellt haben, dass zwischen ihr und dem Konzern ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Ihr Arbeitgeber ist im Besitz einer uneingeschränkten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Rechtliche Basis für die Arbeit der Klägerin waren mehrere Werkverträge zwischen ihrem Arbeitgeber und dem Automobilkonzern.

Klägerin will Arbeitsverhältnis mit Konzern feststellen lassen

Die Klägerin meint, es handele sich um Scheinwerkverträge. In Wirklichkeit sei es eine nicht genehmigte Arbeitnehmerüberlassung. Der Einsatz von mehr als 10 Jahren sei auch nicht vorübergehend erfolgt. Zudem sei sie in den laufenden Betrieb eingegliedert. Die Arbeitsanweisungen seien von den Mitarbeitern des Automobilkonzerns gekommen. Die Urlaubsplanung habe sie mit dem Konzern abstimmen müssen und nur formal bei ihrem Arbeitgeber einen Urlaubsantrag gestellt. Auch ihre Arbeitsunfähigkeit habe sie beim Konzern mitgeteilt und ihren Arbeitgeber lediglich aus abrechnungstechnischen Gründen für den Lohn informiert.

Wann ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher entsteht

Ein Arbeitsverhältnis entsteht zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer nur dann, wenn der Leiharbeitsvertrag zwischen Entleiher und Verleiher nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung fehlt (§ 1 AÜG). Die Arbeitgeberin der Klägerin hatte im Zeitraum der Beschäftigung der Klägerin die uneingeschränkte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Leider kommt es nur darauf an.

Wirksamkeit der Erlaubnis

Das AÜG enthält für die Erlaubnis keine Wirksamkeitsvoraussetzungen. Das BAG hat entschieden, dass § 9 Nr. 1 AÜG nicht analog auf Fälle angewendet werden kann, in denen die Erlaubnis zwar vorgelegen hat, aber die Leiharbeit durch einen Werkvertrag verdeckt wurde. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich auf eine Gleichstellung verzichtet. Solange die Erlaubnis da ist, kommt auch bei einem Dauereinsatz grundsätzlich kein Arbeitsverhältnis zustande. Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wird von der Bundesagentur für Arbeit erteilt. Im Leiharbeitsvertrag muss darauf hingewiesen werden. Ein öffentliches Register der Leiharbeitsfirmen gibt es aber (derzeit) nicht.

Kein treuwidriges Verhalten

Die Klägerin konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung gegen Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) verstoßen hätte. Allein darin, dass ein Scheinwerkvertrag die Arbeitnehmerüberlassung verdeckt, liegt kein Verstoß gegen Treu und Glauben. Die Klägerin hatte einen Arbeitgeber. Von ihm kann sie die Gleichstellung mit vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers (§ 10 Abs. 4 Nr. 1 AÜG) verlangen und durchsetzen.

Praxistipp: Betriebsrat und WerkverträgeAbgrenzung zur Leiharbeit

Angesichts der Rechtsprechung zu Leiharbeitsverhältnissen gehen immer mehr Betriebe dazu über, Werkverträge abzuschließen. Die Rechte der Arbeitnehmer sind, wie der vorliegende Fall zeigt, sehr eingeschränkt. Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer ein Werk gegen Zahlung durch den Auftraggeber herzustellen. Die Arbeit wird beim Werkvertrag nach dem Ergebnis (Werk) beurteilt und nicht nach dem Aufwand der geleisteten Arbeit. Der Auftragnehmer entscheidet selbst wie, mit wie vielen Leuten und mit welchem Zeitaufwand die Arbeit erledigt wird. Es werden eigene Arbeitsmittel verwendet. Er ist allein verantwortlich und haftbar für das Endergebnis. Der Auftraggeber zahlt den Preis für das Ergebnis und nicht für Arbeitskräfte und Arbeitszeit.

Beteiligung des Betriebsrats

Sobald Betriebsfremde eingesetzt werden sollen, ist der Betriebsrat zu beteiligen. Meint er, dass etwas faul an den Verträgen ist, kann er Informationen einholen (§ 80 Abs. 2 BetrVG) und die Zustimmung verweigern. Zwar hat der Betriebsrat beim Abschluss von Werkverträgen kein Mitbestimmungsrecht. Aber eine zustimmungspflichtige Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG kann auch darin liegen, dass der Arbeitgeber (des Betriebsrats) Personen in den Betrieb eingliedert, die aufgrund eines Werkvertrags für ihn arbeiten (vgl. Schoof, Betriebsratspraxis von A bis Z, Stichwort Werkvertrag, Rn. 9.) und ihnen Weisungen erteilt.

Unterstützung des Leiharbeitnehmers

Der Betriebsrat des Entleihers kann auch dem Leiharbeitnehmer helfen, den Anspruch auf Begründung eines Arbeitsvertrages zum Entleiher durchzusetzen. Er kennt die Organisation der Firma, die Auftragslage und die Weisungskette. Er sollte auch Kenntnis darüber haben, ob der Leiharbeitnehmer eine Daueraufgabe übernommen hat oder ob die Aufgabe nur vorübergehend anfällt.

Lesetipps:

Mehr zu diesen Fragen lesen Sie in unserem Online-Betriebsratslexikon unter den Stichworten »Arbeitnehmerüberlassung« und »Werkvertrag« .

»Mindestlohn und Betriebsrat« von Huber/Helm in AiB 3/2016, S. 43-46 .

BAG, 12.07.2016 – 9 AZR 352/15Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH
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