Überstunden

Die Last mit dem Beweis

10. August 2016

Wer Geld für Überstunden verlangt, muss darlegen können, wo, wann und wie oft er auf Anweisung des Arbeitgebers Mehrarbeit geleistet hat. Die pauschale und wiederholte Behauptung, ein Vorgesetzter habe die Mehrarbeit über Jahre angeordnet, genügt dafür nicht.

Der Kläger war von Mitte 2011 bis Ende 2014 als Tierpfleger auf einer Reitanlage eingestellt. Sein Bruttogehalt betrug laut dem Arbeitsvertrag monatlich 1.400 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42,5 Stunden. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses will er die Bezahlung von Überstunden durchsetzen. Vor dem Arbeitsgericht machte er geltend, er habe auf Anordnung seines Arbeitgebers von April bis November 2013 erhebliche Mehrarbeit geleistet.

Tierpfleger will Vergütung für Überstunden

Er habe an 92 als »arbeitsfrei« vorgesehenen Tagen insgesamt 1684 Stunden zusätzlich gearbeitet. Dafür fordert er eine Lohnnachzahlung von knapp 5000 Euro brutto. Der beklagte Arbeitgeber wandte ein, der Pfleger habe nicht dargelegt, an welchen Tagen er von zu welchen Zeiten haben will. Der Tierpfleger habe auch nicht belegt, welcher Vorgesetzte ihn wann und für welchen Zeitraum angewiesen habe, bestimmte Aufgaben zu erbringen.

Die Vergütungspflicht allgemein ergibt sich aus § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der vereinbarten Vergütung steht die vereinbarte Arbeitsleistung gegenüber. Damit ist grundsätzlich nur die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit gemeint.

Anspruch auf zusätzliche Vergütung?

Nach § 612 Absatz 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn eine Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung erbracht wird. Darunter fallen auch über die vertraglich geschuldete Arbeit hinaus zusätzliche Dienst- oder Arbeitsleistungen.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Anspruch auf Bezahlung von Überstunden voraussetzt, dass der Arbeitgeber sie angeordnet, gebilligt oder geduldet hat oder sie jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein müssen (BAG 16.05.2012, 5 AZR 347/11 und vom 10.04.2013, 5 AZR 122/12).

Hürden für den Arbeitnehmer

Der Arbeitnehmer, der Bezahlung verlangt, hat vor Gericht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitgeber die Mehrarbeit und Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet hat oder dass sie zur Erledigung der Arbeit erforderlich waren.

Der Arbeitnehmer muss vortragen, an welchen Tagen er von wann bis wann gearbeitet hat, möglichst unter Angabe der Pausenzeiten. Auch Inhalt seiner Tätigkeit sollte er angeben können. Allein das pauschale und stereotype Wiederholen, eine dem Arbeitgeber zuzurechnende Person habe die Überstunden angeordnet, genügt einem substantiierten Vortrag nicht. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann alles pauschal bestreiten.

Zeitraum und Anlass der Mehrarbeit belegen

Erst wenn der Arbeitnehmer die Tage, die Zeiten und das Warum der Stunden vorgetragen hat, muss der Arbeitgeber dem konkret entgegentreten. Daher ist die Durchsetzung der Bezahlung von Überstunden für den Arbeitnehmer ein häufiges Problem. Nach längerer Zeit fällt es oft schwer, die genauen Zeiten zu nennen, also darzulegen. Ohne die Angabe zu Zeit und die in dieser Zeit verrichtete Tätigkeit, sind Überstundenprozesse zum Scheitern verurteilt. Dies ist der Grund, weshalb so viele Überstundenprozesse verloren gehen.

Praxistipp: Überstunden genau festhalten

Buchführung ist hier das A und O. Erbringt der Arbeitnehmer Mehrarbeit, die der Arbeitgeber nicht erfasst, sollte der Arbeitnehmer diese Zeiten, Pausen und konkrete Aufgaben selbst festhalten, z. B. in einem Kalender.

Belegen können muss der Arbeitnehmer auch die Duldung, Billigung, Anordnung oder Erforderlichkeit der zusätzlich geleisteten Stunden. Davon wollen manche Arbeitgeber grundsätzlich nichts wissen. Der Arbeitgeber, der die Anweisung zur Mehrarbeit von sich aus bestätigt, ist eher eine Rarität. Daher sollten zu den Zeiten auch Zeugen zur Bestätigung der Tätigkeit notiert werden, also z. B. der Vorgesetzte oder Kollegen, die am fraglichen Tag dabei waren.

Wer durchsetzen will, dass sein Arbeitgeber bestrittene Überstunden bezahlt, sollte die Scheu vor einem Prozess ablegen. Denn damit, dass ein Arbeitgeber die Mehrarbeit zwar stillschweigend entgegen nimmt, sich aber um die Bezahlung drückt, sollte man ihn nicht durchkommen lassen. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, kann auch dieser sich einschalten. Denn bei der Anordnung von Überstunden hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen.

Lesetipp:

Ausufernde Arbeitszeiten eindämmen: »Mehr Arbeit mit Mehrarbeit« von Christiane Jansen in »Arbeitsrecht im Betrieb« 3/2016, S. 10-14 .

LAG Berlin-Brandenburg, 28.04.2016 - 5 Sa 79/16Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH
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