Leiharbeit

Auch Rotkreuzschwestern sind mitbestimmt

21. Dezember 2016

Die Schwestern vom Roten Kreuz erbringen wertvolle Dienste in Kliniken und Pflegeheimen. Obwohl sie nach deutschem Recht nicht als Arbeitnehmerinnen gelten, steht dem Betriebsrat ein Mitspracherecht zu, wenn der Arbeitgeber sie einsetzen will. Denn auch die Rotkreuzschwestern fallen trotz ihrer Besonderheiten unter die europäische Leiharbeitsrichtlinie – so der Europäische Gerichtshof.

Eine Rotkreuzschwester sollte in der Ruhrlandklinik im Pflegedienst eingesetzt werden. Grundlage dafür war ein Vertrag zwischen dem Verein »DRK-Schwesternschaft« und der Klinikverwaltung. Der Betriebsrat der Klinik hat seine Zustimmung zur »Einstellung« mit der Begründung verweigert, der Einsatz sei nicht nur vorübergehend geplant. Dies verstoße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Mit dieser Entscheidung war die Klinik nicht einverstanden und schaltete das Arbeitsgericht ein. Ihrer Ansicht nach sei die Schwester keine Arbeitnehmerin und daher könne das AÜG nicht angewandt werden.

Europäischer Arbeitnehmerbegriff reicht weiter

Nachdem das sich Bundesarbeitsgericht (BAG) in letzter Instanz nicht ganz sicher war, ob die DRK-Schwestern in den Schutzbereich der europäischen Leiharbeitsrichtlinie fallen, musste sich der zuständige Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dieser Frage auseinandersetzen. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass DRK-Schwestern durchaus als Arbeitnehmerinnen im europäischen Recht angesehen werden können, auch wenn sie nach deutschem Recht diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Von den deutschen Gerichten ist die Arbeitnehmereigenschaft bisher abgelehnt worden, da die Rotkreuzschwestern mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Nach dem EuGH kommt es maßgeblich darauf an, ob die Schwestern den gleichen arbeitsrechtlichen Schutz wie andere Arbeitnehmerinnen genießen.

Praxistipp:EuGH beginnt ein neues Kapitel

Im Alltag von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind sie nicht wegzudenken: Rotkreuzschwestern. Sie übernehmen vielfältige Aufgaben in der Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen. Ihr arbeitsrechtlicher Status war dabei bisher von einer Besonderheit geprägt: DRK-Schwestern sind Mitglied im Verein und erbringen ihren „Mitgliedsbeitrag“ durch eine persönliche Dienstleistung - quasi Arbeit. Hierfür erhalten sie von dem Verein auch eine monatliche Gegenleistung in Form von Lohn. Trotzdem geht die Rechtsprechung bislang davon aus, dass die über 20.000 DRK-Schwestern keine Arbeitnehmerinnen im Sinne des Gesetzes sind.

In der Konsequenz haben DRK-Schwestern nach der bisherigen Rechtsprechung keine Möglichkeit, im Krankenhaus an der Betriebsverfassung mitzuwirken. Damit nehmen sie nicht den Wahlen zum Betriebsrat teil und auch die Mitbestimmungsrechte sollen für die Belange der Schwestern nicht gelten.

Betriebsrat sollte seine Rechte einfordern

Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht so recht nachvollziehbar. Wenn DRK-Schwestern in einen Betrieb mit gewählten Betriebsrat entsandt werden, dann stellt es eine Ungleichbehandlung dar, wenn der Betriebsrat wegen der Eingliederung der Schwestern kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG hat.

Nach der aktuellen Entscheidung könnte sich die bislang vorherrschende Ansicht zugunsten der Schwestern ändern. Insbesondere im Fall von Leiharbeit sollte der Betriebsrat nun auch für die DRK-Schwestern seine Rechte geltend machen. Dies betrifft unter anderem nicht nur vorrübergehende Einstellungen von Leiharbeitnehmerinnen, Fragen eines einheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Planung bzw. Koordinierung von Personaleinsatz. Eine unterschiedliche Behandlung von Stamm- und Leiharbeitnehmern ist in all diesen Fällen nicht sinnvoll.

Lesetipp:

Unionsrecht und deutsches Arbeitsrecht: »EU-Recht und EuGH geben Rahmen vor« von Absenger/Priebe in »Arbeitsrecht im Betrieb« 12/2015 S. 47-50 .

EuGH, 17.11.2016 - C-216/15Jens Pfanne, DGB Rechtsschutz GmbH
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