Befristung - Der DGB-Rechtsschutz kommentiert

Rente ist kein Befristungsgrund

27. Februar 2015

Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer Altersrente bezieht, ist kein Grund, ein Arbeitsverhältnis nur noch befristet fortzusetzen. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass ein zulässiger Befristungsgrund vorliegt.

Der Kläger ist am 21.01.1945 geboren. Er war langjährig bei seiner bisherigen Arbeitgeberin beschäftigt, einem Unternehmen, das Stanz- und Ziehteile für die Automobil- und Elektroindustrie liefert. Sein Arbeitsvertrag war unbefristet geschlossen. Eine Regelung, dass das Arbeitsverhältnis bei Erreichen des Renteneintrittsalters enden sollte, gab es nicht.

Beschäftigter möchte weiter im Betrieb bleiben

Seit der Vollendung seines 65. Lebensjahres am 21.01.2010 bezieht der Kläger die gesetzliche Altersrente, will aber gern weiter für sein Unternehmen arbeiten. Am folgenden Tag vereinbarte er mit seiner Arbeitgeberin, dass das Arbeitsverhältnis am 31.12.2010 enden solle. Das Beendigungsdatum wurde zweimal verschoben.

Im Jahr 2011 vereinbarten die Parteien, dass der Arbeitsvertrag am 31.12.2011 enden solle. Der Kläger sollte einen noch einzustellenden Mitarbeiter als Nachfolger einarbeiten. Anfang 2012 erhob der Rentner eine Befristungskontrollklage: Er beantragte festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis fortbestehe und die Befristung unwirksam sei.

Das Landesarbeitsgericht entschied noch zum Nachteil des Klägers, dass die Befristung wirksam war (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2012 - 13 Sa 1302/12). Die Befristung sei nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen sachlich gerechtfertigt.

Das gelte jedenfalls dann, wenn die Parteien, wie hier, das Erreichen der Regelaltersgrenze für die Rente zum Anlass nehmen, eine Befristung des langjährigen Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren.

Arbeitgeber muss seine Personalplanung beweisen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied jetzt anders und hob die Entscheidung des LAG auf. Allein der Bezug der gesetzlichen Altersrente, betont das BAG, rechtfertigt aber nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund.

Es ist zusätzlich erforderlich, dass die nachträgliche Befristung einer ganz konkreten Nachwuchsplanung der Arbeitgeberin dient. Zu dieser Frage habe das LAG aber bisher keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Das LAG muss den Fall daher erneut verhandeln und prüfen, ob der Arbeitgeber wirklich die Einstellung eines Nachfolgers für den Kläger geplant und vorbereitet hat.

Quelle:

BAG, Urteil vom 11.02.2015
Aktenzeichen: 7 AZR 17/13
BAG, Pressemitteilung Nr. 5/15 vom 11.02.2015.

Folgen für die Praxis

Mit Anmerkungen von Bettina Fraunhoffer LL.M., DGB Rechtsschutz GmbH

Immer häufiger wollen Beschäftigte ihr Arbeitsverhältnis auch über den Eintritt der Regelaltersrente hinaus fortsetzen. Sei es, weil die Altersrente den Betroffenen nicht mehr zur Erhaltung des Lebensstandards ausreicht, noch Unterhaltsverpflichtungen bestehen oder
aber einfach, weil der Arbeitnehmer Freude an seiner Arbeit hat und weiter arbeiten will.

Wie bei jedem Arbeitsverhältnis stellen sich bei einem Rentner die klassischen Fragen des Befristungsrechts. Die Gesetze gelten ebenso, es gibt hier keine Arbeitnehmer zweiter Klasse. Rechtlich wird daher gefragt: Darf das Arbeitsverhältnis befristet werden, und wenn ja, ist ein Sachgrund für die Befristung erforderlich und liegt der Sachgrund tatsächlich vor? Es gilt wie für alle Arbeitsverhältnisse das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).

Unbefristetes Arbeitsverhältnis gilt über Rentenbeginn hinaus

Grundsätzlich gilt, dass das Arbeitsverhältnis nicht automatisch mit dem Eintritt der Rente endet, sondern darüber hinaus fortbesteht. Arbeitet der Arbeitnehmer über diesen Zeitpunkt hinaus weiter oder kündigen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, stellt sich die Frage des Vorliegens des Sachgrundes nicht, es liegt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor.

Nur wenn beide Parteien vertraglich eine Befristung vereinbaren, stellt sich die Frage nach einem Sachgrund, die hier zu entscheiden war. Denn ohne Sachgrund kann ein Arbeitsverhältnis nicht befristet werden, wenn der Arbeitnehmer schon beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt ist und nahtlos während der Rente weiterarbeitet. Somit kommt nur eine Weiterbeschäftigung mit einem vom TzBfG anerkannten sachlichen Grund in Frage.

Wirksame Befristung aus sachlichem Grund ist möglich

Das BAG hat nun entschieden, dass der Renteneintritt an sich keinen Sachgrund darstellt, der wirksam zur Begründung einer Befristung herangezogen werden kann. Dies schließt aber alle weiteren Sachgründe des § 14 TzBfG nicht aus. Das Arbeitsverhältnis kann also, wenn solche Gründe vorliegen, wirksam befristet werden.

Sieht man sich als Arbeitnehmer mit einer solchen Sachlage konfrontiert, lohnt es sich unbedingt vor dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages Rechtsrat zu holen. Liegt schon längst ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor, wird dieses abgeschnitten, wenn der Arbeitnehmer einen neuen, wirksam befristeten Arbeitsvertrag eingeht.

Lesetipp der AiB-Redaktion:
»Durchblick im Befristungsdschungel« von Michael Kossens in »Arbeitsrecht im Betrieb« 2/2014, S. 18–23.

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