Eigenmächtiges Verlassen einer Betriebsrätetagung

Darum geht es
Die Arbeitgeberin betreibt am Standort Winsen/Luhe ein Logistikzentrum mit rund 1.900 Beschäftigten. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.
Vom 08.11. bis 10.11.2022 reisten der Betriebsratsvorsitzende und drei weitere Betriebsratsmitglieder zum Deutschen Betriebsrätetag in Bonn. Die Reise- und Hotelkosten trug die Arbeitgeberin. Die Rückreise erfolgte gegen Mittag des 10.11.2022. In seinem Arbeitszeitnachweis gab der Betriebsratsvorsitzende unter anderem an, er habe am 9.11. von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr sowie von 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr Betriebsratsarbeit geleistet.
Die Arbeitgeberin wirft dem Betriebsratsvorsitzenden vor, lediglich am 8.11.2022 am Betriebsrätetag teilgenommen zu haben. An den Folgetagen sei er der Veranstaltung ferngeblieben und stattdessen privaten Angelegenheiten nachgegangen. Es bestehe aufgrund seiner Angaben im Arbeitszeitnachweis auch der Verdacht eines Arbeitszeitbetruges.
Der Betriebsratsvorsitzende hat eingeräumt, den Betriebsrätetag am Vormittag des 9.11. verlassen zu haben, um aus privaten Gründen nach Düsseldorf zu fahren. Er habe während der von ihm angegebenen Zeiten aber anderweitige Betriebsratstätigkeiten ausgeführt.
Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung zur Kündigung verweigerte, hat die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragt.
Das sagt das Gericht
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Ein wichtiger Grund i.S. § 626 BGB für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung liegt nach Ansicht des Gerichts darin, dass der Betriebsratsvorsitzende schwerwiegend gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe.
Aufgrund der eigenen Einlassung des Betriebsratsvorsitzenden stehe fest, dass dieser den Betriebsrätetag am 9.11.2022 eigenmächtig verlassen und bis zum Schluss nicht mehr daran teilgenommen habe. Bereits hierin liege ein schwerwiegender Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten.
Darüber hinaus bestand nach Überzeugung der Kammer zumindest der dringende Verdacht, dass der Betriebsratsvorsitzende in seinem Arbeitszeitnachweis für den 9.11.2022 bewusst falsche Angaben gemacht hat. Die Angabe des Betriebsratsvorsitzenden, anderweitige Betriebsratsarbeit geleistet zu haben, hielt die Kammer nicht für glaubhaft. Sie steht auch im Widerspruch zu Erklärungen, die der Betriebsratsvorsitzende nach der Rückkehr gegenüber anderen mitgereisten Betriebsratsmitgliedern abgegeben hatte.
Das eigenmächtige vorzeitige Verlassen des Betriebsrätetages, um privaten Interessen nachzugehen, in der Zusammenschau mit dem Verdacht einer versuchten Täuschung über stattdessen geleistete Betriebsratstätigkeit sei geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers tiefgreifend zu erschüttern. Ein solches Verhalten rechtfertigt den Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung.
Hinweis für die Praxis
Auch der Deutsche Betriebsräte-Tag ist eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG – das heißt, der Arbeitgeber muss die teilnehmenden Mitglieder nach einem Entsendungsbeschluss bezahlt von der Arbeit freistellen und die Teilnahme- und Reisekosten tragen.
Im Gegenzug müssen dafür freigestellte BR-Mitglieder die Teilnahme auch wie Arbeitszeit behandeln. Die Veranstaltung einfach zu „schwänzen“ steht damit rechtlich unerlaubtem Fernbleiben von der Arbeit gleich.
Natürlich dürfen auch Betriebsratsmitglieder ihre Teilnahme wegen Krankheit oder familiärer Notfälle vorzeitig abbrechen, müssen dies aber dem Arbeitgeber rechtzeitig mitteilen.
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Quelle
Aktenzeichen 2 BV 6/22
ArbG Lüneburg, Pressemitteilung vom 5.4.2023