Kündigungsschutz

BAG: Ein Chef, trotzdem zwei Betriebe

01. September 2021 Kündigung, Betrieb
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Quelle: © Jeanette Dietl / Foto Dollar Club

Ein Geschäftsführer, der zwei Firmen leitet, lässt noch nicht auf einen gemeinsamen Betrieb schließen, dessen Mitarbeiterzahl für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) relevant ist. Das zeigt ein BAG-Urteil.

Das war der Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte. Dabei stand auch die Frage im Raum, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar sei und wann ein gemeinsamer Betrieb vorliegt. Der Kläger war seit 2015 als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt. Er wurde auch für ein weiteres Unternehmen eingesetzt, das als Servicestützpunkt der Arbeitgeberin ausgewiesen ist und den gleichen Geschäftsführer hat. Für die Personalverwaltung der beiden Unternehmen ist derselbe externe Steuerberater verantwortlich.

Wegen mehrerer Pflichtverletzungen kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2019. Dagegen wandte sich der Mitarbeiter und wollte zudem Abmahnungen aus seiner Personalakte entfernt wissen.

Das sagt das Gericht

Das BAG teilt die Einschätzung der Vorinstanz, dass kein gemeinsamer Betrieb vorgelegen hat. Das LAG Baden-Württemberg habe daher auch zu Recht angenommen, dass die Kündigung vom 5. Februar 2019 nicht am Maßstab von § 1 KSchG zu überprüfen sei, weil die Beklagte zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht mehr als zehn Arbeitnehmer iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigte.

Der Personaleinsatz wurde nicht betriebsübergreifend von einer einheitlichen Leitung gesteuert. Ebenso wurden die materiellen und immateriellen Betriebsmittel nicht unternehmensübergreifend zu gemeinsamen arbeitstechnischen Zwecken eingesetzt. Die Personenidentität des Geschäftsführers sei allein nicht ausreichend für die Annahme einer einheitlichen Leitung. Die Personenidentität in der Unternehmensleitung kann zwar ein wesentliches Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat auf Betriebsebene sein, lässt aber nicht notwendig auf eine einheitliche Leitung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten schließen. Der Umstand, dass eine Person mehrere Unternehmen leitet, bedeutet noch nicht, dass sie diese Aufgaben für alle Unternehmen einheitlich wahrnimmt. 

Kündigung hat Bestand

Auch die Kündigung war rechtens. Eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist demnach nur dann nach § 612a BGB eine unzulässige Maßregelung (wie der Kläger meinte), wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden soll. Will der Arbeitgeber dagegen für die in Zukunft erwarteten Folgen weiterer Arbeitsunfähigkeit, insbesondere Betriebsablaufstörungen, vorbeugen, fehlt es an einem unlauteren Motiv für die Kündigung. Die Auffassung des LAG, die Beklagte habe dem Kläger nicht wegen einer in seiner Krankmeldung möglicherweise liegenden Rechtsausübung gekündigt, sei nicht zu beanstanden. Entscheidend für § 612a BGB ist nicht, ob die Motive für die Maßnahme objektiv berechtigt waren, sondern ausschließlich, ob der tragende Beweggrund eine zulässige Rechtsausübung war.

Auch hinsichtlich der Entfernung der Abmahnungen hatte der Kläger keinen Erfolg. Diese konnten ihm nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr schaden, weswegen kein Anspruch auf Streichung aus der Personalakte besteht.

Das muss der Betriebsrat wissen

Die Besonderheit dieses Falles liegt sicherlich darin, dass für die Anwendbarkeit des KSchG entscheidend ist, ob einer oder mehrere Betriebe vorliegen. Wichtig zu wissen ist, dass trotz des gemeinsamen Geschäftsführers und Überschneidungen bei Personal und Arbeitsabläufen doch von einer wirtschaftlichen Trennung auszugehen ist, wenn wesentliche personelle und soziale Angelegenheiten getrennt sind. 

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

BAG (20.05.2021)
Aktenzeichen 2 AZR 560/20
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