Einheitlicher Betriebsrat für mehrere Betriebe

Das war der Fall
Vor dem BAG war letztlich nur noch die Frage zu klären, ob bei der Arbeitgeberin ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat zu wählen ist oder ob an den mehr als 30 Standorten in Deutschland mit etwa 4600 Arbeitnehmer:innen eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten bestehen. Im Jahr 2002 hatten die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin einen Beschluss pro Einheitsbetriebsrat gefasst.
Das sagt das Gericht
Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können die Arbeitnehmer eines Unternehmens mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen, wenn im Fall des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BetrVG keine tarifliche Regelung besteht und in dem Unternehmen kein Betriebsrat gebildet ist. Ein Beschluss der Arbeitnehmer nach § 3 Abs. 3 BetrVG bewirkt, dass anschließend ein Betriebsrat für das gesamte Unternehmen gewählt werden kann, und zwar unabhängig von den gesetzlichen Betriebsstrukturen und den diese beeinflussenden arbeitgeberseitigen Organisationsmaßnahmen.
Das LAG durfte jedoch nicht annehmen, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Beschlussfassung nach § 3 Abs. 3 BetrVG zum Zeitpunkt der Abstimmung am 26. April 2002 vorlagen. Denn das LAG hat es laut BAG versäumt zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Abstimmung im Unternehmen bzw. deren Rechtsvorgängerin mehrere Betriebe oder selbständige Betriebsteile gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bestanden. Es hat lediglich festgestellt, dass die Rechtsvorgängerin über einen Hauptsitz sowie weitere Niederlassungen verfügte. Diese Feststellungen ermöglichen jedoch nicht die Beurteilung, ob die Niederlassungen eigenständige Betriebe waren oder nach § 4 Abs. 1 BetrVG als solche galten, so das BAG.
Das BAG klärte zudem die Frage, ob einem entsprechenden Beschluss auf Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats Dauerwirkung zukommt oder ob dieser nur für die nächste Wahl gilt: Der Wortlaut von § 3 Abs. 3 BetrVG sei zwar nicht eindeutig. Gesetzessystematische Erwägungen sprächen jedoch für eine Dauerwirkung der Abstimmung bis zu einer gegenteiligen Beschlussfassung der Belegschaft (sogenannter actus contrarius).
Auch der Anstieg der Arbeitnehmerzahl aufgrund Verschmelzung weiterer Firmen in die Unternehmensstruktur hat auf den Besschluss von 2002 keine Auswirkung, insbesondere § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist auf den Beschluss nach § 3 Abs. 3 BetrVG nicht anwendbar.
Wachstum hat keinen Einfluss auf Beschluss
Wichtig: Die Fallkonstellation hatte auch die Frage aufgeworfen, wie mit den Betriebsräten der Firmen zu verfahren ist, die in das Unternehmen eingegliedert wurden, in dem der einheitliche Betriebsrat per Beschluss gebildet ist. Das BAG stellte dazu klar, dass der in einem übernommenen Betrieb gebildeter Betriebsrat untergeht und die Belegschaft fortan von dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat des aufnehmenden Unternehmens repräsentiert wird. Ein Fortbestand des Mandats des aufgenommenen Betriebsrats hätte zur Folge, dass für das aufnehmende Unternehmen mindestens zwei Betriebsräte bestünden, was gerade von § 3 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen werden soll. Um die Interessen hinzukommender Belegschaften zu wahren, bestehe daher die Möglichkeit, einen Beschluss nach § 3 Abs. 3 BetrVG durch eine entsprechende Gegenabstimmung (actus contrarius) aufzuheben.
Allerdings hatte das Hessische LAG unterlassen zu prüfen, ob durch die Übertragung des Teilbereichs Production Engineering im Jahr 2012 zwischenzeitlich ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen geführt worden war, was zur Folge hätte, das dann der bisherige Betrieb seine Identität und der Belegschaftsbeschluss von 2002 seine Wirkung verloren hätte. Diesbezüglich hat das BAG die Sache ans LAG zurückverwiesen.
Das muss der Betriebsrat wissen
Das BAG erörtert im Detail – im Rahmen der Prüfung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats – auch zahlreiche Fragen rund um den Themenkomplex Betriebsübergang. Zudem schafft es Klarheit hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Beschluss nach § 3 Abs. 3 BetrVG.
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Quelle
Aktenzeichen 7 ABR 16/20