Einsichts- und Zugangsrecht für alle Betriebsratsmitglieder

Darum geht es
Der Betriebsrat eines Unternehmens hat mehrere Räume. In einem davon befindet sich das Sekretariat des Betriebsrates. In diesem Raum befinden sämtliche Unterlagen des Betriebsrates, die Postfächer der Mitglieder des Betriebsrates, sowie das Kopier-, Scanner- und Faxgerät. Alle Betriebsratsmitglieder haben Zugang, während die Sekretärin arbeitet, dies sind Montag bis Freitag von 8:00 Uhr bis 16:30 Uhr. Mit dem Transponder (elektronischer Schlüssel), über den jedes Betriebsratsmitglied verfügt, lässt sich die Tür zum Sekretariat nicht öffnen, sondern nur einer der gemeinsamen Räume.
Mehrere Betriebsratsmitglieder, die im Schichtdienst arbeiten und das Büro regelmäßig nicht während der Dienstzeiten der Sekretärin aufsuchen können, verlangen nun jeweils einen Schlüsseltransponder mit Zugangsberechtigung für das Sekretariat. Der Betriebsratsvorsitzende wies darauf hin, dass alle relevanten Unterlagen den Betriebsratsmitgliedern auch elektronisch zur Verfügung stünden. Dies bezweifeln die Betriebsratsmitglieder. Sie beantragten bei Gericht, den Arbeitgeber und den Betriebsrat als Gremium zu verpflichten, ihnen Zugang zu gewähren. Das Arbeitsgericht Frankfurt wies die Anträge zurück.
Das sagt das Gericht:
Das hessische Landesarbeitsgericht (LAG) entschied zugunsten der Betriebsratsmitglieder. Der Betriebsrat als Gremium ist verpflichtet, jedem Mitglied einen Zugangsschlüssel zum Sekretariat in Form eines Transponders zu beschaffen. Er muss diese Transponder beim Arbeitgeber beantragen.
Anspruch auf Zugang und Einsicht ist unbeschränkt
Alle Betriebsratsmitglieder haben das Recht, jederzeit sämtliche Unterlagen des Betriebsrates und seiner Ausschüsse einzusehen (§ 34 Absatz 3 BetrVG). Zwar erstreckt sich das Einsichtsrecht auch auf elektronische Unterlagen. Aber auch wenn der Betriebsrat alle relevanten Unterlagen für seine Mitglieder elektronisch bereitstellt, steht dies einem Einsichtsrecht in die Unterlagen in Papierform nicht entgegen. Solange beim Betriebsrat überhaupt Unterlagen auch in Papierform existent sind, muss das Einsichtsrecht jederzeit gewährleistet sein.
Einsicht und Zugang muss der Betriebsrat gewähren
Das Recht auf Zugang zum Betriebsratsbüro und Einsicht in die Unterlagen muss das einzelne Mitglied gegen den Betriebsrat als Gremium geltend machen. Nur dieses ist »Hausherr« des Betriebsratsbüros. Der Arbeitgeber stellt dem Betriebsrat die Räume zur Verfügung (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Über die Zuteilung und den Zutritt entscheidet aber nur der Betriebsrat als Gremium. Eine Einflussmöglichkeit des Arbeitgebers gibt es nicht und soll es auch nicht geben.
Hinweise für die Praxis
Betriebsratsbüro ist für den Arbeitgeber tabu
Soweit es im Rahmen des Arbeitsschutzes, etwa Kontrolle der Brandmelder, erforderlich ist, dass Personen aus Arbeitgeberseite die Räume des Betriebsrates betreten, ist unbedingt sicherzustellen, dass diese keinerlei Unterlagen zu Gesicht bekommen.
Bei Softwareupdates des Betriebsratscomputers ist es mit den heutigen technischen Möglichkeiten ohne weiteres möglich, die Rechte des Betriebsrates durch Passwortschutz zu wahren. Sollte der Betriebsrat Grund zum Zweifel haben, ob der Arbeitgeber fair spielt, muss eine Klärung herbeigeführt werden, ggf. indem er einen externen Dienstleister ins Boot holt. Es gilt, das Ausspähen von Daten des Betriebsrates in jedem Fall zu verhindern.
Kein Einsichtsrecht für Ersatzmitglieder, JAV und SBV
Das Gesetz gesteht nur Betriebsratsmitgliedern im Amt das Einsichtsrecht. Ersatzmitglieder haben daher dieses Recht nur, wenn ein Verhinderungsfall eines ordentlichen Betriebsratsmitgliedes vorliegt oder sie sich auf einen solchen Fall vorbereiten (BAG 27.07.2016 – 7 ABR 16/14).
Auch andere Personen, die nur berechtigt sind, an den Sitzungen des Betriebsrates teilzunehmen wie zum Beispiel Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), Schwerbehindertenvertretung (SBV), und Mitglieder des Sprecherausschusses für leitende Angestellte haben dieses Zugangsrecht nicht. Andererseits verbietet das Gesetz nicht, diesen Personen Informationen an die Hand zu geben, soweit ein berechtigtes Interesse besteht. Darüber entscheidet der Betriebsrat als Gremium.
Mitnutzungsrecht der SBV
Bei der SBV ist im Übrigen daran zu denken, dass diese ein Mitnutzungsrecht an Räumen und Geschäftsbedarf hat, die der Arbeitgeber auch dem Betriebsrat überlassen hat (§ 179 Abs. 9 SGB IX). Allerdings sind die Unterlagen der SBV schon aus Datenschutzgründen getrennt von denen des Betriebsrats zu führen und zu verwahren.
Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH
Quelle
Aktenzeichen 16 TaBV 67/19
Sie erhalten diese Entscheidungsbesprechung als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 18.3.2020.