Teilzeitarbeit

EuGH prüft tarifliche Diskriminierung von Piloten

13. November 2020
Cockpit Flugzeug Pilot
Quelle: www.pixabay.com/de

Teilzeitbeschäftigte dürfen bei den Arbeitsbedingungen nicht schlechter stehen als Beschäftigte in Vollzeit, bestimmt das Unionsrecht. Daher stehen auch Tarifverträge in Frage, wenn eine Prämie für Mehrarbeit, etwa bei Piloten, erst bei Überschreiten der Vollzeitgrenze gezahlt wird. Die Frage, wie solche Tarifklauseln anzuwenden sind, hat das BAG dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.

Muss ein Tarifvertrag, der eine zusätzliche Vergütung für Mehrarbeit gewährt, bei der maßgeblichen Stundenzahl zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten unterscheiden? Diese Frage betrifft europarechtliche Vorgaben für das deutsche Recht: Die europäische Richtlinie 97/81/EG über Teilzeitarbeit legt Mindestestandards fest, auch das Benachteiligungsverbot gegenüber Vollzeitbeschäftigten. Zur Richtlinie gehört als Anhang eine Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit, die von den Europäischen Arbeitgeberverbänden UNICE, CEEP und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) geschlossen wurde.

Darum geht es:

Die Arbeitgeberin ist ein Luftfahrtunternehmen. Der Kläger ist bei ihr als Pilot und Erster Offizier in Teilzeit beschäftigt. Seine Arbeitszeit ist auf 90 Prozent der Vollarbeitszeit verringert. Er erhält eine um zehn Prozent ermäßigte Grundvergütung. Nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen erhält ein Arbeitnehmer eine über die Grundvergütung hinausgehende Mehrflugdienststundenvergütung, wenn er eine bestimmte Zahl von Flugdienststunden im Monat geleistet und damit die Grenzen für die erhöhte Vergütung überschritten („ausgelöst“) hat. Die sog. Auslösegrenzen gelten einheitlich für Arbeitnehmer in Teilzeit und in Vollzeit.

Mit seiner Klage verlangt der Pilot für die erbrachten Mehrflugdienststunden eine höhere Vergütung. Er ist der Auffassung, die tariflichen Bestimmungen seien unwirksam, weil sie Teilzeitbeschäftigte schlechter stellen als Arbeitnehmer in Vollzeit. Ein sachlicher Grund bestehe dafür nicht. Die Auslösegrenzen seien ent-sprechend seinem Teilzeitanteil abzusenken.

Das Luftfahrtunternehmen hält die Tarifnormen für wirksam. Die Vergütung für Mehrflugdienststunden diene dazu, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Sie bestehe erst, wenn die tariflichen Auslösegrenzen überschritten seien. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen (LAG München, 19.11.2019 - 6 Sa 370/19).

Das sagt das BAG:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)  Fragen vor, die die Anwendung der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG betreffen:

  • Ist für die Prüfung, ob Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden, weil eine zusätzliche Vergütung davon abhängt, dass eine einheitlich geltende Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, auf die Gesamtvergütung und nicht auf den Entgeltbestandteil der zusätzlichen Vergütung abzustellen?
  • Kann eine mögliche schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gerechtfertigt werden, wenn mit der zusätzlichen Vergütung der Zweck verfolgt wird, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen?

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

BAG (11.11.2020)
Aktenzeichen 10 AZR 185/20 (A)
BAG, Pressemitteilung vom 11.11.2020
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