Arbeitszeit

HSI Stellt klar: Dienstreisen sind Arbeitszeit

13. Februar 2020
Gruppe_Zug_5432373
Quelle: © Gina Sanders / Foto Dollar Club

Dienstreisen stehen immer wieder unter einem ganz bestimmten Aspekt im Fokus von Arbeitsrechtlern: Es stellt sich die Frage, ob die Reisezeit als Arbeitszeit zu bewerten ist. Ein aktuelles Gutachten des Hugo Sinzheimer Instituts (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung bezieht nun klar Stellung: Dienstreisen sind eindeutig Arbeitszeit, heißt es dort.

Bei der arbeitsrechtlichen Einordnung der Dienstreise fangen die Probleme schon an. Denn: Der Begriff der Reisezeit ist arbeitsrechtlich nicht definiert und unterliegt deshalb der Auslegung. Im Beamtenrecht heißt es zur Dienstreise, dass sie dienstlich veranlasst sein muss, § 81 Abs. 1 S. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG). Der DGB hatte bereits 2016 in einem Gutachten folgende Definition vorgeschlagen: »Reisezeiten sind die Zeiten, welche der Arbeitnehmer für die Hin- und Rückfahrt, die Wahrnehmung des Dienstgeschäfts und den Aufenthalt am Ort vor und nach Erledigung des Dienstgeschäfts aufwendet.«

BAG folgt restriktiver Auslegung

Das Bundesarbeitsgericht hat sich den Ausführungen von Ulrich Preis und Katharina Schwarz zufolge, die das beim Bund-Verlag erschienene HSI-Gutachten erstellt haben, für eine restriktive Auslegung entschieden und verlangt, dass zur Reisetätigkeit eine zusätzliche Belastung in Form einer »arbeitsspezifischen Tätigkeit« kommt. Auch in Sachen Mitbestimmung sei die Haltung das BAG restriktiv: Arbeit liege vor, wenn der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers tätig wird und tatsächlich eine Arbeitsleistung erbringt. Für Dienstreisen gelte das nicht, weswegen der Betriebsrat hier nicht auf Mitsprache pochen könne.

Dem widersprechen Preis und Schwarz: Dienstreisen seien eindeutig Arbeitszeit. Sie verweisen auf den EuGH und dessen Rechtsprechung zur Rufbereitschaft: Demnach gelten Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit. Beschäftigte, die innerhalb weniger Minuten am Arbeitsplatz erscheinen müssen, seien räumlich und damit in der Möglichkeit eingeschränkt, sich ihren persönlichen und sozialen Interessen zu widmen. Das sei den Gutachtern zufolge mit der Situation auf Dienstreisen vergleichbar.

Gutachten schlägt Definition vor

Eine »Belastung« zu verlangen, wie es das BAG fordert, lehnen die Gutachter ab, da dies ein rechtsunsicheres und maximal subjektives Kriterium sei. Sie schlagen daher folgende Definition vor: »Die unselbstständige fremdbestimmte, fremdnützige, weisungsgebundene und in der Regel räumlich begrenzte Tätigkeit ist abhängige Arbeit – die Zeit, während der der Arbeitnehmer einer solchen Tätigkeit nachgeht, ist arbeitsrechtliche Arbeitszeit.«

Aufgrund dieser Definition sind Dienstreisezeiten grundsätzlich vergütungspflichtig - wenn nichts anderes vereinbart ist. Per Arbeits- oder Tarifvertrag könne davon allerdings abgewichen werden. Wichtig: Bei Abweichungen seien die Regelungen zum Mindestlohn und zu Höchstarbeitszeiten zu berücksichtigen. Außerdem dürfe die Summe der abgegoltenen Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit nicht mehr als 12,5 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit betragen: Gemessen an einem achtstündigen Arbeitstag könne eine Überstunde abgegolten werden und eine Überstunde sei zusätzlich zu vergüten, was einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers einerseits und dem Mehrverdienstinteresse des Arbeitnehmers andererseits ermögliche. Regelungen zur Vergütung von Dienstreisen unterliegen laut Gutachten der Mitbestimmung. 

Bleibt abzuwarten, ob auch die Erfurter Richter dieser Definition in Zukunft folgen werden. Arbeitnehmerfreundlich wäre es. 

Tipps der Redaktion

Lesen Sie auch: 7 Fragen zu Dienstreisen und Arbeitszeit

bund-verlag.de (mst)

AiB-Banner Viertel Quadratisch - Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren