Berufliche Teilhabe

Hürdenlauf zur Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen

04. März 2022 Teilhabe
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Quelle: © Doris Heinrichs / Foto Dollar Club

Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt wurde. Wird ein GdB von mindestens 30 zuerkannt, kann eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen beantragt werden. Der Weg dahin ist aber steinig. Experte Rainer Ritter erklärt in »Gute Arbeit« 2/2022, was die Gleichstellung bringt, worum und wie das genau geht.

Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 oder 40 ist man nicht schwerbehindert, kann aber beruflich schon deutlich gehandicapt sein. Um dennoch auf Schutzregelungen für schwerbehinderte Beschäftigte, wie den besonderen Kündigungsschutz, bauen zu können, muss ein Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen bei der örtlichen Arbeitsagentur gestellt werden.

Doch Gleichstellungsanträge werden oft abgelehnt. Teils liege das an der Arbeitsweise und Ausstattung der Agenturen für Arbeit, teils an schlampigen Anträgen der behinderten Menschen. Was die Interessenvertretungen und Gewerkschaftssekretäre in Beratungsgesprächen mit Betroffenen erörtern und wissen sollten, erläutert der umfassende Beitrag von Rainer Ritter.

Was ist Gleichstellung im Behindertenrecht?

Das Verfahren zur Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen ist im Sozialgesetzbuch (SGB) IX geregelt: Behinderte Menschen können auf Antrag bei der zuständigen Agentur für Arbeit mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn der GdB weniger als 50, aber wenigstens 30 beträgt und sie aufgrund ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können.

Mit der Gleichstellung erhalten Arbeitnehmer:innen grundsätzlich den gleichen Status wie schwerbehinderte Menschen. Damit gelten für sie folgende Nachteilsausgleiche:

  • der besondere Kündigungsschutz
  • die bedarfsorientierte Betreuung durch spezifische Fachdienste
  • auf Verlangen des behinderten Menschen die Befreiung von angeordneter Mehrarbeit

Hinzu kommen Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber wie z.B.

  • Lohnkostenzuschüsse bei erheblicher behinderungsbedingter Minderleistung
  • und die Anrechenbarkeit auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen.

Voraussetzungen für die Gleichstellung

Ziel der Gleichstellung ist es, einen aus behinderungsbedingten Gründen gefährdeten Arbeitsplatz zu erhalten und zu sichern. Als Begründung für die Gleichstellung kann daher z.B. angeführt werden, dass aufgrund der Behinderung

  • häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten vorliegen
  • die körperliche und geistige Belastbarkeit bei der Arbeit behinderungsbedingt geringer ist
  • die Mobilität aus unterschiedlichen Gründen eingeschränkt ist (etwa geringe Reisemöglichkeiten aufgrund von Medikamenten/Behandlungen etc.).

Der Hintergrund wird anhand der genannten Punkte klar: Ein behinderter Mensch kann aufgrund der Auswirkungen seiner anerkannten Behinderung nicht mehr oder deutlich weniger konkurrenzfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein als nichtbehinderte Beschäftigte.

Grundsätzlich gilt: 

Beim Antrag, sowie später bei der Begründung durch die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen der Anhörung durch die Arbeitsagentur, ist strikt darauf zu achten: Es müssen individuelle, behinderungsbedingte Probleme in Bezug auf die berufliche Tätigkeit benannt werden, die ein Arbeitsverhältnis akut und konkret gefährden:

  • Die vom Arbeitgeber erwartete (vertraglich vereinbarte) Arbeitsleistung ist nicht mehr möglich, es kommt zu langen Arbeitsunfähigkeitszeiten
  • die weitere Ausübung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit kann die anerkannte Behinderung verschlimmern, ist also ein hohes persönliches Risiko
  • die Fortführung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit ist nur noch mit Schmerzmitteln möglich
  • behinderungsbedingt kommt es neben längeren Fehlzeiten zu Unpünktlichkeit, zu Konzentrationsschwäche und Ermüdung.

Das sind Auszüge aus dem Beitrag in »Gute Arbeit«, der umfangreiche Tipps und Checklisten für den Gleichstellungsantrag sowie eine Rechtsprechungsübersicht bietet.

Weitere Informationen

R. Ritter, »Hürden zur Gleichstellung überwinden«, in »Gute Arbeit« 2/2022 (S. 33-39). In der Ausgabe das Titelthema lesen: »Dienstplangestaltung – Beschäftigte beteiligen, die Mitbestimmung nutzen«:

  • S. Lohneis, G. Sendelbeck »Mitbestimmen bei Dienstplänen« (S. 8 ff.).
  • T. Kühn, I. Roth: »Beteiligung an Dienstplänen ist Wertschätzung« (S. 13 ff.)
  • T. Michel, »Dienstplan, Heim, Kind und Hund« (S. 17 ff.)

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