Interview

Impfpflicht könnte Corona besiegen

03. September 2021 Corona
Corona-Impfung
Quelle: pixabay

Weil immer mehr Staaten für die Einreise einen Impfnachweis verlangen, plant Lufthansa, nur noch geimpfte Crews einzusetzen. Prof. Dr. Wolfgang Däubler erklärt, ob und wie eine arbeitgeberseitige Impfpflicht durchsetzbar wäre.

Darf der Arbeitgeber die Mitarbeiter zwingen, sich impfen zu lassen, um
möglicherweise Einreisebestimmungen oder andere externe Vorgaben erfüllen?

Der Arbeitgeber kann niemanden „zwingen“, sich impfen zu lassen, aber er kann Ungeimpfte von bestimmten Tätigkeiten ausschließen. So kann ein Krankenhaus oder ein Altersheim bestimmen, dass sich Ärzte und Pflegepersonal impfen lassen, damit sich die Patienten bzw. die Bewohner nicht anstecken. Dasselbe gilt für Stewardessen und Stewards, aber auch für das Cockpitpersonal, das ja auch mal mit Passagieren in Berührung kommt, ohne immer die Abstandsregeln einhalten zu können. Erst recht gilt das natürlich, wenn ein anderer Staat nur Flugzeuge mit geimpfter Crew landen lässt.

Ist dann eine Ungleichbehandlung zwischen Personengruppen erlaubt, zum Beispiel zwischen Boden- und Kabinenpersonal?

Die Beschränkung eines Einsatzes auf Geimpfte und Genesene hat nicht in erster Linie den Sinn, die Betroffenen zu schützen. Vielmehr geht es um den Schutz der Gesundheit von Personen, mit denen sie in Berührung kommen. Wer beim Bodenpersonal einer Fluggesellschaft nur Koffer schleppt, muss möglicherweise nicht geimpft werden, anders die Person, die am Check-in-Schalter sitzt. Das bedeutet ungleiche Behandlung, für die es aber einen sachlichen Grund gibt. 

Inwiefern muss der Betriebsrat eingebunden sein und wäre hier eine Betriebsvereinbarung erforderlich?

Da es der Sache nach um Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz geht, kann der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmen. Zur Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts ist aber keine Betriebsvereinbarung erforderlich; es genügt eine Absprache, also eine Einigung über eine konkrete Maßnahme des Arbeitgebers.

Was spricht gegen eine allgemeine Impfpflicht in Unternehmen?

Meines Erachtens könnte man ohne Verstoß gegen das Grundgesetz eine allgemeine Impfpflicht einführen wie sie bei Masern besteht. Manchmal wäre es auch gut, sich daran zu erinnern, wie man die Volkskrankheit Tuberkulose und die Spinale Kinderlähmung praktisch ausgerottet hat. Damals gab es so gut wie keine Impfgegner. Eine Ausnahme muss man machen: Es kann medizinische Gründe geben, die gegen eine Impfung sprechen. Dies sind aber seltene Fälle; aufs Ganze gesehen hätte Covid 19 keine Chance mehr.

Warum sind so viele gegen das Impfen?

Das hat viel mit dem herrschenden Freiheitsverständnis zu tun. Wenn es um einen kleinen Pieks geht, muss die Freiheit umfassend geschützt werden. Dieselben Leute nehmen aber keinen Anstoß daran, dass rund ein Drittel der Erwerbstätigen in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt ist; von der großen Freiheit bleibt da nicht viel übrig. Hier heißt es kuschen, oder man ist seinen Job los. Das passt nicht zusammen. 
 

Der Interviewpartner

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Wolfgang Däubler

Dr. jur., Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Er ist einer der bekanntesten Arbeitsrechtler.

© bund-verlag.de (mst)

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