Kein Auskunftsrecht des Betriebsrats über Mehrheitsgewerkschaft

Das war der Fall
Die Arbeitgeberin ist eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG. Sie informierte den Betriebsrat am 1.1.2021 darüber, dass aufgrund des Tarifeinheitsgesetzes künftig in jedem Betrieb der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft zur Anwendung komme. Für den Betrieb Niedersachsen/Bremen wurde mitgeteilt, dass die Lokführer-Gewerkschaft GDL als die betriebliche Mehrheitsgewerkschaft anzusehen sei.
Dieses Ergebnis ermittelte die Arbeitgeberin auf der Grundlage der letzten Betriebsratswahl, vorliegender Personalsystemeinstellungen und Tarifbindungsanzeigen.
Der Betriebsrat verlangte Auskunft über die im Betrieb ermittelten gewerkschaftlichen Mitgliedsverhältnisse, die Anzahl der Tarifbindungsanzeigen sowie die Wertungen, die über die Ergebnisse der letzten Betriebsratswahl, in die Feststellung der Mehrheitsgewerkschaft einflossen. Das Arbeitsgericht entschied, dass die verlangten Auskünfte dem Betriebsrat nicht zustehen - dagegen legte das Gremium Beschwerde ein.
Das sagt das Gericht
Die Beschwerde des Betriebsrats war zulässig, aber unbegründet.
Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch ist zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat nach Ansicht des LAG nicht ausreichend dargetan.
Der Aufgabenbezug sei – so das Gericht – nicht ausreichend erkennbar. Der Betriebsrat sei kein dem Arbeitgeber übergeordnetes Kontrollorgan. Es sei nicht seine Aufgaben zu überprüfen, ob der Arbeitgeber die richtige Entscheidung über die Mehrheitsgewerkschaft getroffen habe.
Es könne zudem dahinstehen, ob sich das Überwachungsrecht nach § 80 bs. 1 Nr. 1 BetrVG auch auf die vorgelagerte Prüfung erstreckt, welche Tarifverträge i.S.d. § 4a TVG kollidieren und im Betrieb anzuwenden seien. Es hätte jedenfalls konkreter Angaben des Betriebsrats bedurft, bezüglich welcher Tarifnormen er die Kollisionslage überprüfen möchte.
Zudem sei nicht klar, warum diese Information erforderlich sein solle. Vor allem sei nicht erkennbar, dass die verlangte Auskunft dem Betriebsrat eine Basis für eine eigene Mehrheitsfeststellung verschaffen könnte. Sowohl die notariell ermittelten EVG-Mitgliedschaften als auch die der Arbeitgeberin ggf. vorliegenden Tarifbindungsanzeigen bildeten allenfalls einen Ausschnitt der gewerkschaftlichen Mitgliederzahlen im Betrieb ab.
Soweit der Betriebsrat die Auskunft über die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder verlangte, fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass die Daten bei der Arbeitgeberin vorhanden sind.
Das gilt für die Praxis
Das LAG betont hier ausdrücklich: Der Informationsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG ist strikt aufgabengebunden und in seiner Reichweite durch das Erforderlichkeitsprinzip bestimmt. Daher ist der Betriebsrat bei der Geltendmachung des Anspruch sozusagen beweispflichtig. Er muss nachweisen, für welche Aufgabe oder welches Kontrollrecht er die Information benötigt.
Die Frage, ob und in welchem Umfang der Betriebsrat vom Arbeitgeber Auskunft im Zusammenhang mit der Anwendung verschiedener Tarifverträge verlangen kann, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Deshalb hat das LAG Niedersachsen in dieser Frage auch ausdrücklich eine Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.Es bleibt abzuwarten, wie sich das BAG dazu verhält.
© bund-verlag.de (fro)
Quelle
Aktenzeichen 17 TaBV 36/22