Kündigungsschutz

Kein Betriebsübergang ohne Inhaberwechsel

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Quelle: © Kzenon / Foto Dollar Club

Das BAG lehnt einen Betriebsübergang ab, wenn das neue Unternehmen nur der »verlängerte Arm« des alten Unternehmens war. Denn ohne echten Inhaberwechsel gibt es keinen Betriebsübergang. Von Margit Körlings.

Der Arbeitnehmer ist seit 1980 bei seinem Unternehmen beschäftigt. Dieses betreibt verschiedene Standorte. Zum 31.3.2011 wurde eine neue Gesellschaft gegründet. Diese übernahm die Produktion an allen Standorten in Lohnfertigung mit den vor Ort beschäftigten Arbeitnehmern. Dazu wurde ein Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Darin heißt es, dass ausschließlich für Rechnung und im Namen des Ursprungsunternehmens gearbeitet wird.

Die Immobilien, die Produktionsmittel und die Patente verblieben ebenfalls im Eigentum des Ursprungsunternehmens. Die Arbeitnehmer wurden darüber unterrichtet, dass ihr Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die neue Gesellschaft übergegangen ist. Diese hat auch ab 1.4.2011 die Löhne gezahlt und die Steuern und Sozialversicherungsabgaben übernommen.

Im Frühjahr 2013 wurde die Liquidation dieser neuen Gesellschaft beschlossen. Im März 2014 kündigte die neue Gesellschaft das Arbeitsverhältnis. Die gegen die Kündigung gerichtete Klage wurde abgewiesen. Streit besteht nunmehr darüber, ob überhaupt zum 1.4.2011 ein Betriebsübergang erfolgt ist.

Übergang der Betriebsmittel

Ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität fortführt (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.05.2015 – 8 AZR 409/13). Zur Identität gehört neben der Art des Unternehmens auch die Übertragung der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Güter, die Übernahme der Belegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang der Kundschaft und der Grad der Ähnlichkeit der vorher und nachher verrichteten Tätigkeit.

Wechsel des Betriebsinhabers

Insbesondere bedarf es aber des Wechsels in der Person des Betriebsinhabers. Der bisherige Inhaber muss die wirtschaftliche Betätigung einstellen und der neue Inhaber muss diese aufnehmen. Er muss dazu den Betrieb im eigenen Namen führen und auch nach außen als Betriebsinhaber auftreten.

Hier gab es einen Betriebsführungsvertrag. Nach außen ist der ursprüngliche Inhaber gegenüber den Kunden und Lieferanten aufgetreten. Zudem wurde auf Rechnung des alten Betriebsinhabers gearbeitet. Die neu gegründete Gesellschaft wurde so zum verlängerten Arm des alten Inhabers. Ein Betriebsübergang hat daher nicht stattgefunden.

Kein Abschieben auf »armen« Vertragspartner

Für dieses Ergebnis spricht auch die Zielsetzung der europäischen Richtlinie, nach der die Arbeitnehmer geschützt werden sollen. Dieser Schutz ginge verloren, wenn den Arbeitnehmern durch einem Betriebsführungsvertrag ein neuer »armer« Vertragspartner zugewiesen werden könnte. Denn am Vermögen dieses »armen« Erwerbers müssten sich auch Entgelte, Sozialpläne und Betriebsrenten ausrichten.

Die Abweisung der Kündigungsschutzklage war konsequent. Ein Betriebsübergang hat nicht stattgefunden. Daher bestand zwischen den Parteien des Kündigungsschutzverfahrens kein Arbeitsverhältnis.

Praxistipp: Verträge genau lesen

Beim Betriebsübergang hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Aber im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 80 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu informieren. Insbesondere muss der Betriebsrat prüfen können, ob die Belegschaft etwa nach § 111 BetrVG in Form einer Betriebsänderung betroffen ist.

Daher sollte der Betriebsrat die Verträge zwischen den alten und dem neuen Inhaber genau prüfen. Was geht über? Was geht nicht über? Was wird wohin geschoben? Wer ist Eigentümer welcher immateriellen und materiellen Güter?

Streit über den Umfang von Informations- und Vorlagepflichten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber werden vor den Arbeitsgerichten im Beschlussverfahren ausgetragen.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

BAG (25.01.2018)
Aktenzeichen 8 AZR 338/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat 4/2018 vom 7.3.2018.
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