Gleichbehandlung

Kein Equal Pay für Leiharbeitnehmerin

29. Juli 2022
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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Die Frage, ob Leiharbeitnehmer:innen in Deutschland der gleiche Lohn wie Stammarbeitnehmer:innen zusteht, ist umstritten. Der EuGH-Generalanwalt hat nun in seinen Schlussanträgen die Meinung vertreten: Unterschiedliche Entlohnung kann zulässig sein.

Das war der Fall

Eine Leiharbeitnehmerin, die als Kommissioniererin für ein Einzelhandelsunternehmen in Bayern tätig war erhielt einen Stundenlohn von 9,23 € brutto. Dahingegen verdienten die Stammmitarbeiter:innen desselben Unternehmens nach dem gewerblichen Tarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern 13,64 € brutto pro Stunde. Die Leiharbeitnehmerin verlangte vom Arbeitgeber die Lohndifferenz und der Fall landete vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).

Die Arbeitnehmerin meint, die für sie einschlägigen Tarifverträge für Leiharbeit seien nicht mit dem Unionsrecht (Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 5 Abs. 1, 3 der Richtlinie 2008/104/EG) vereinbar. Denn Art. 5 Abs. 3 der EU-RL fordert bei Abweichungen die «Achtung des Gesamtschutzes» von Leiharbeitnehmer:innen.

Nach dem deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (§ 8 Abs. 1 AÜG) stünde ihr zwar auch der gleiche Lohn zu. Nach der in § 8 Abs. 2 AÜG geregelten Ausnahme können Tarifverträge jedoch auch niedrigere Stundenlöhne festlegen. Von der Achtung des Gesamtschutzes ist hingegen im deutschen Gesetz nicht die Rede. Daher sehen viele Tarifverträge – wie auch hier – niedrigere Löhne vor.

Zu Klärung dieses Widerspruches legte der BAG dies in einem Vorabentscheidungsverfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

EuGH-Generalanwalt hält unterschiedliche Entlohnung für zulässig

Tarifverträge können bei entsprechendem Ausgleich einen niedrigeren Lohn regeln. Sie können also vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen.

Dem Generalanwalt zufolge aber nur, wenn es für Leiharbeitnehmer:innen angemessene Vorteile in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gebe. Diese Vorteile müssten die Tarifverträge als Ausgleich gewähren, sodass insgesamt der unionsrechtlich geforderte Gesamtschutz von Leiharbeitnehmer:innen geachtet werde.

So auch die EU-Richtline selbst: Sie soll den Mitgliedsstaaten, den Sozialpartnern die Möglichkeit einräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmer:innnen beim Arbeitsentgelt und den sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen.

Doch die EU-Richtline definiert weder, was unter «Gesamtschutz» zu verstehen ist noch die jeweiligen Anforderungen an dessen «Achtung». Hier könnte der EuGH nun Licht ins Dunkel bringen. Durch eine Definition der Begriffe kann er eine Auslegungshilfe für die nationalen Gerichte schaffen und Widersprüchen in Zukunft vorbeugen.

Die Anträge des EuGH-Generalanwalts sind nur Empfehlungen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bleibt abzuwarten. Bis dahin bleibt es wohl dabei: Kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

© bund-verlag.de (ca)

Quelle: Schlussanträge des Generalanwalts Anthony Collins am Gerichtshof in der Rechtssache C-311/21 vom 14.07.2022

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