Konzernbetriebsrat nur bei Leitungsmacht

In diesem Beschlussverfahren stritten Arbeitgeber und Betriebsräte über die Gründung eines Konzernbetriebsrates. Beteiligt waren gleich vier in Deutschland operativ tätige Tochtergesellschaften einer ebenfalls in Deutschland angesiedelten Holding. Diese Holding wiederum war die Tochtergesellschaft eines Schweizer Unternehmens.
Die Holding übte gegenüber den Tochtergesellschaften unstreitig keine Leitungsmacht aus. Der Geschäftsführer der Holding war vielmehr bei der Schweizer Gesellschaft angestellt. Die Leitungsmacht über die deutschen Tochtergesellschaften wurde von dort ausgeübt.
Konzernbetriebsrat angestrebt
Die Betriebsräte der vier Tochtergesellschaften wollten bei der Holding einen Konzernbetriebsrat gründen, der Arbeitgeber wollte dies, wie so oft, nicht. Nachdem zu einer konstituierenden Sitzung des Konzernbetriebsrates geladen worden war, leitete der Arbeitgeber das Beschlussverfahren ein. Er begehrte die Feststellung, dass der Konzernbetriebsrat nicht bestehe.
Der Antrag des Arbeitgebers war erfolgreich. Nach Auffassung des BAG und auch der Vorinstanzen war der Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet worden.
Konzernobergesellschaft muss im Inland sitzen
Der Konzernbetriebsrat ist zuständig für Angelegenheiten, die den Gesamtkonzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte oder Betriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können.
Die beteiligten Betriebsräte waren der Auffassung, dass ein inländischer Sitz der Konzernobergesellschaft nach §§ 54 BetrVG, 18 des Gesetzes über Aktiengesellschaften (AktG) nicht erforderlich sei. Ob die Konzernobergesellschaft ihren Sitz im In- oder Ausland hat, spiele keine Rolle.
Dem ist das BAG nicht gefolgt. Der bloße Sitz einer Gesellschaft ohne Geschäftstätigkeit im Inland reiche nicht aus, wenn nicht auch von dort unternehmerische Leitungsmacht entfaltet und ausgeübt wird. Mitbestimmung soll da ausgeübt werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird. Mitbestimmung bedarf jedoch eines Ansprechpartners, der Verfügungsgewalt und Kompetenz über die der Mitbestimmung unterliegenden Regelungsgegenstände hat. Nur so kann ein Konzernbetriebsrat – nach Auffassung des BAG – mit Aussicht auf Erfolg betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte durchsetzen.
Das BAG stellte demzufolge fest, dass ein Konzernbetriebsrat nicht wirksam errichtet worden war.
Hinweise für die Praxis
Konzern im Konzern
Die Bildung eines Konzernbetriebsrates kommt hingegen dann in Betracht, wenn nach den Grundsätzen des BAG ein »Konzern im Konzern« vorliegt. Dann ist jedoch eine im Inland liegende Muttergesellschaft erforderlich, die Entscheidungsbefugnisse in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten hat.
Für die Rechtsfigur besteht dann kein Raum mehr, wenn das ggf. im Ausland sitzende Mutterunternehmen einen derart intensiven Einfluss auf das Tochterunternehmen ausübt, dass dieses keine Möglichkeit der eigenständigen Leitung gegenüber den eigenen Tochterunternehmen hat.
Auch bei einer Verlagerung der Konzernspitze ins Ausland ist allerdings die Möglichkeit des Arbeitgebers, sich der betrieblichen Mitbestimmung teilweise zu entziehen, begrenzt.
Die Mitbestimmungsrechte entfallen bei fehlendem Konzernbetriebsrat nicht, sie werden durch die Betriebsräte oder Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen wahrgenommen.
Das kann allerdings in Fällen, in denen konzernweit einheitliche Regelungen an sich sinnvoll wären, zu wenig zweckmäßigen unterschiedlichen Ausgestaltungen in den einzelnen Konzernunternehmen führen.
Europäische Betriebsräte
Die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates ist indes auch bei einer im europäischen Ausland liegenden zentralen Leitung möglich. Abgestellt wird nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG) auf die nachgeordnete Leitung oder den Vertreter der zentralen Leitungsmacht im Inland. Wird kein Vertreter benannt, zählt als Vertreter der Betrieb oder das Unternehmen im Inland mit den meisten Arbeitnehmern innerhalb Europas.
Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH
Quelle
Aktenzeichen 7 ABR 60/16
Diese Entscheidungsbesprechung ist Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 20.6.2018.