Mobbing

Kein Schmerzensgeld wegen Mobbing

26. Oktober 2020
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Quelle: © britta60 / Foto Dollar Club

Ist es Mobbing, wenn Beschäftigte immer wieder grundlos vom Arbeitgeber abgemahnt werden? Besteht dann ein Anspruch auf Schmerzensgeld? Und hilft es im Prozess, wenn Beschäftigte sich an einen Arzt wenden? Darüber entschied kürzlich das Landesarbeitsgericht Köln. Und sorgt mit seinem Urteil dafür, dass Mobbingklagen in der Praxis jetzt fast nicht mehr zu gewinnen sind.

Das war der Fall

Der Kläger arbeitete seit Mai 2011 für die beklagte Arbeitgeberin. Das Arbeitsverhältnis war jedoch nahezu seit Beginn konfliktbelastet.

So sprach die Arbeitgeberin dem Kläger innerhalb von 8 Jahren insgesamt 14 Abmahnungen aus, u.a. wegen Arbeitszeitverstößen durch (lange) Privattelefonate während der Arbeitszeit, eigenmächtigem Fernbleiben von der Arbeit, wegen Zuspätkommens und Verstößen im Zusammenhang mit Krankmeldungen.

Auch eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug sprach die Arbeitgeberin aus.

Der Kläger ging vor Gericht erfolgreich gegen die Maßnahmen vor. Alle Abmahnungen mussten aus seiner Personalakte entfernt werden und auch die Kündigung war im Ergebnis unzulässig.

Im weiteren Verlauf folgten noch zwei weitere Kündigungsversuche der Arbeitgeberin, der Kläger war inzwischen einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden. Auch diese beiden Kündigungsversuche blieben jedoch erfolglos, das Integrationsamt lehnte die Anträge der Arbeitgeberin zur Kündigungszustimmung ab.

Der Kläger sah in den Maßnahmen der Arbeitgeberin Mobbing und eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung. Er sei über die Vielzahl der Abmahnungen krank geworden.

Er legte im Schmerzensgeldprozess auch ein ärztliches Gutachten vor. Dieses bestätigte gesundheitliche Probleme aufgrund der Konfliktsituation am Arbeitsplatz.

Der Kläger verlangt nun Schmerzensgeld wegen Gesundheitsschädigung i.H.v. mindestens 53.000 €.

Das sagt das Gericht

Seine Klage blieb jedoch erfolglos, das LAG verneint einen Anspruch auf Entschädigung.

Laut LAG Köln liege hier kein Mobbing vor. Es handele sich (nur) eine typische bzw. übliche Konfliktsituation am Arbeitsplatz, weshalb nicht von einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen sei.

Für Mobbing hätten die Maßnahmen der Arbeitgeberin systematisch und mit dem Ziel erfolgen müssen, den Kläger zu schikanieren und ihn aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. An einem solchen »Schikanecharakter« der Maßnahmen fehle es vorliegend aber. Für die Abmahnungen habe es jeweils einen sachlichen Grund gegeben. Und rechtlich zulässige Abmahnungen seien kein Mobbing. Dies gilt auch dann, wenn sie sich nachträglich als unberechtigt herausstellen. Entscheidend ist, ob sie im Zeitpunkt ihres Ausspruchs berechtigt erscheinen. Anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber die Abmahnung mutwillig und ohne jeden Anlass ausspricht. Hinzu komme auch, dass der Arbeitnehmer ja gerichtlich gegen die Abmahnungen vorgegangen sei und auch gewonnen habe.

Außerdem habe der Kläger auch nicht ausreichend dargelegt, wie die arbeitsrechtlichen Maßnahmen seine Gesundheit geschädigt hätten. Allein die Tatsache, dass er wegen der Situation am Arbeitsplatz in ärztlicher Behandlung war, reiche für den Anspruch auf Entschädigung nicht aus. Dafür hätte der Kläger vielmehr ganz konkret darlegen müssen, wann welcher Arzt welche Erkrankung bei ihm diagnostiziert haben will. Das hat er nicht getan.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie

Die Erfolgsaussichten von Mobbing-Entschädigungsklagen erscheinen nach dem Urteil alles andere als rosig. Das Urteil legt Betroffenen Hürden in Sachen Darlegungs- und Beweislast auf, die fast unüberwindbar scheinen. Denn beweisen, dass es Mobbing ist und dieses zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, muss der Betroffene. Und das wird nach dem Urteil nur noch schwer gelingen, wenn dafür als Beweis nun nicht einmal mehr die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens ausreichen soll.

Das sollten Betriebs- und Personalräte auch offen kommunizieren, wenn sich Betroffene ratsuchend in Sachen Mobbing an sie wenden. Von Entschädigungsklagen sollten Sie Betroffene also eher abraten – oder zumindest ganz ehrlich sagen, dass die Erfolgsaussichten gering sind.

Interessenvertreter müssen deshalb vor allem auch ihre Rolle in der Mobbing-Prävention sehr ernst nehmen. Bestenfalls entsteht Mobbing nämlich gar nicht erst. Passiert es aber doch, sollten Sie versuchen, den Konflikt möglichst anders aufzulösen.

© bund-verlag.de (fk)

Quelle

LAG Köln (10.07.2020)
Aktenzeichen 4 Sa 118/20
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