Schwerbehindertenrecht

Ohne SBV keine Kündigung schwerbehinderter Menschen

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Quelle: © Doris Heinrichs / Foto Dollar Club

Das Anhörungsrecht der Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist deutlich gestärkt: Eine Kündigung schwerbehinderter Menschen ohne Beteiligung der SBV ist unwirksam. Matthias Liebsch erklärt in der »Guten Arbeit« (GA) 11/2017, wie das Recht anzuwenden ist, damit die SBV richtig zum Zuge kommt.

Spricht ein Arbeitgeber die Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen aus, ohne die Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu beteiligen, dann ist die Kündigung unwirksam. Gerade für diese Regelung im § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, (ab 1.1.2018 neue Nummerierung: § 178 SGB IX) haben SBVen, Gewerkschaften und Verbände lange gekämpft.

SBV-Anhörung - eine gestärkte Pflichtaufgabe

Schon bisher haben Arbeitgeber die SBV bei personellen Maßnahmen, die schwerbehinderte Menschen einzeln oder als Gruppe betreffend, zu beteiligen und anzuhören. Mit Inkrafttreten des SGB IX wurde dies in § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geregelt.

Beteiligung heißt: unverzügliche und umfassende Unterrichtung vor einer Entscheidung! Sonst hat die SBV keine Chance mehr, eine Maßnahme zu beeinflussen. Wird die SBV vom Arbeitgeber nicht beteiligt, regelt § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX schon bisher ein Aussetzungsrecht: Danach kann die SBV darauf pochen, dass die Entscheidung oder Maßnahme zunächst ausgesetzt und ihre Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachgeholt wird.

In der Praxis wurde dieses Anhörungsrecht allerdings trotzdem öfter missachtet. Und faktisch wird es umgangen oder ausgehebelt, wenn der Arbeitgeber eine ausgesetzte Maßnahme längst durchgeführt hat.

Einfluss auf die betriebliche Inklusionskultur

Der Beteiligungsanspruch stärkt die SBV als spezifische Interessenvertretung schwerbehinderter Menschen. Er ist dazu geeignet, die Chancengleichheit für die auf dem Arbeitsmarkt stark benachteiligte Gruppe der Menschen mit Behinderung zu stärken. Allerdings gilt: Die SBV hat nur ein Anhörungsrecht vor einer Kündigung. Sie hat keine erzwingbaren Mitbestimmungsrechte und kann Kündigungen nicht verhindern.

Wohl aber kann und soll die SBV die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflussen und z.B. im Rahmen einer Anhörung Alternativen aufzeigen: Arbeitsplatzumgestaltung, Qualifizierung, Umsetzung etc. Auch kann sie unter Umständen in der Anhörung aufdecken, dass ein Betriebliches Eingliederungsmanagement hätte stattfinden müssen, weil ein Betroffener zuvor länger erkrankt war (mindestens sechs Wochen in den letzten 12 Monaten, vgl. § 84 Abs. 2 SGB IX, ab 1.1.2018: § 167 Abs. 2 SGB IX).

Zudem gilt: Die SBV hat ein eigenständiges Recht auf Anhörung: Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er bereits den Betriebs- oder Personalrat informiert habe und die SBV deshalb »Bescheid wissen könne«. Als selbstständiger Akteur ist die SBV nun nach Recht und Gesetz einzeln zu beteiligen.

Rechte für Inklusion kooperativ nutzen

Wichtig ist zudem, dass SBV und Betriebs- bzw. Personalratsarbeit ihre Rechte kooperativ nutzen und für die Teilhabe am Arbeitsleben gewinnbringend ergänzen. Das Bundesteilhabegesetz (2016) hat nicht nur Reformen im SGB IX angestoßen. Es hat auch die Kooperation von SBV und Betriebsrat um mehrere Schnittstellen erweitert: wie die neu eingeführten §§ 80 Abs. 1 Nr. 4 sowie 88 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); danach hat der Betriebsrat die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern und wird in diesem Zusammenhang dazu angehalten, auf den Abschluss von Inklusions- sowie Betriebsvereinbarungen hinzuwirken.

Wie das Verfahren der SBV-Beteiligung praktisch im Betrieb ablaufen kann, beschreibt der Autor Matthias Liebsch in »Gute Arbeit« ausführlich (S. 13ff.).

Weitere Informationen

Mehr zum Bundesteilhabegesetz (2016) und den erweiterten Rechten der SBV lesen Interessierte in »Gute Arbeit« 11/2017, Titelthema »Schwerbehindertenvertretung – Der starke Partner im Betrieb« (S. 8-20) – mit den wichtigsten Fakten zur rechtlichen Stärkung der SBV-Arbeit und den Regelungen im SGB IX: etwa neue Rechte der Stellvertreter/innen und bessere Heranziehung (Prof. Dr. Franz-Josef Düwell), die »neue« Inklusionsvereinbarung (Thomas Lambert, Integrationsamt Hessen).

Zudem in der Ausgabe 11/2017: Vorstellung der neuen SBV-Wahlhilfe-Broschüre aus dem Bund-Verlag im Interview mit Nils Bolwig (IG Metall).

Und in der Ausgabe 12/2017: »Eine Bürokraft für die SBV« – den neuen Rechtsanspruch praktisch umsetzen.

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