Betriebsänderung

Keine Rechtsänderung bei virtuellem Gemeinschaftsbetrieb

09. März 2021
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Quelle: © B. Wylezich / Foto Dollar Club

Der Betriebsrat kann bei einer anstehenden Betriebsänderung mittels Unterlassungsklage seine Rechtsposition sichern. Liegt eine solche Betriebsänderung nicht vor, bleibt dem Gremium immer noch sein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen nach §99 BetrVG.

Das war der Fall

In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob durch die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs an den Unternehmensstandorten zwischen einem Klinikbetreiber und einer von diesem gegründeten Tochtergesellschaft (ohne Sachmittel und Personal) eine Betriebsänderung einhergehe, gegen die der Betriebsrat des Klinikbetreibers per Unterlassungsanspruch vorgehen könnte. Der Betriebsrat forderte unter anderem, die durch die Führungsvereinbarung vom 30. September 2020 zum 1. November 2020 vorgesehene Gründung eines Gemeinschaftsbetriebs am Standort Brandenburg an der Havel zu unterlassen, bis Verhandlungen über einen Interessenausgleich aufgrund der Betriebsänderung oder ein Einigungsstellenverfahren gescheitert seien.

Das sagt das Gericht

Das LAG Berlin-Brandenburg musste sich mit Fragen im Zusammenhang mit einem möglichen Gemeinschaftsbetrieb befassen und stellte zunächst klar: Im Gemeinschaftsbetrieb sind Inhaber der betrieblichen Leitungsmacht alle Unternehmen, die sich zur einheitlichen Leitung des Betriebs verbunden haben. Da alle Inhaber der betrieblichen Leitungsmacht in ihrer möglichen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung, der Arbeitgeberstellung, betroffen sein können, sind alle bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten zu beteiligen.

Gegen die Gründung eines Gemeinschaftsbetriebs kann der Betriebsrat nicht per Unterlassungsanspruch vorgehen, da diese unternehmerische Entscheidung nicht in seinem Zugriffsbereich liegt. Möglich ist es allerdings laut LAG Berlin-Brandenburg, dass der Betriebsrat per Unterlassungsanspruch seinen Verhandlungsanspruch im Zusammenhang mit Betriebsänderungen gegenüber dem Arbeitgeber sichert – was in diesem Fall nicht in Betracht kommt, weil das Gericht nicht von einer Betriebsänderung ausgeht. Da alle bestehenden Strukturen unverändert bleiben und sich für die vorhandene Belegschaft nichts ändert, handelt es sich aus sich des LAG »um einen nur auf dem Papier existierenden virtuellen Gemeinschaftsbetrieb«, bei dem keine strukturellen Änderungen erkennbar sind.

Daher ist der Betriebsrat nicht auf einen Unterlassungsanspruch angewiesen, um die eigenen Rechte zu sichern. Dies sei durch Verweigerung seiner Zustimmung nach § 99 BetrVG möglich, mit der er die von ihm befürchteten Personalmaßnahmen, also die Einstellungen neuen Personals, faktisch verhindern könne. Und das LAG stellt klar, dass es der Betriebsrat damit durchaus erfolgreich sein könnte, da aufgrund der Unternehmenskonstellation Verstöße gegen Arbeitnehmerüberlassungs- und gegen Tarifvertragsrecht möglich seien.

Das muss der Betriebsrat wissen

Ohne Veränderungen, keine Betriebsänderung – so lautet hier wohl das Fazit. Lediglich ein neuer Briefkopf genügt nicht, um eine Betriebsänderung annehmen zu können, wenn es keine Veränderungen in der sonstigen Unternehmensstruktur gibt. Interessant ist der Hinweis des LAG, dass der Betriebsrat aber auch ohne Unterlassungsanspruch mittels seiner Rechte aus § 99 BetrVG bei der Umgestaltung der Klinikbetriebe mehr als nur ein Wörtchen mitzureden hat. Zudem stellt das Gericht klar, dass in solchen Konstellationen auch vorläufiger Rechtsschutz denkbar ist, und zwar, wenn der Betriebsrat die Verletzung des Beteiligungsrechts nach § 111 BetrVG moniert, es ihm also darum geht, seinen Verhandlungsanspruch durchzusetzen und eine aus seiner Sicht infolge von Einstellungen in Betracht kommende Betriebsänderung zu verhindern, bevor er sein Beteiligungsrecht wahrgenommen hat.

© bund-verlag.de (mst)

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (10.12.2020)
Aktenzeichen 26 TaBVGa 1498/20
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