Kündigung

Keine Telearbeit durch einseitige Anweisung

29. Januar 2019
Menschen_71263677
Quelle: © Jeanette Dietl / Foto Dollar Club

Das Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber nicht, einem Beschäftigten Telearbeit zuzuweisen. Dies erfordert eine Änderung des Arbeitsvertrags. Lehnt der Arbeitnehmer ab, kann der Arbeitgeber ihm daher auch nicht wegen »beharrlicher Arbeitsverweigerung« kündigen. Von Margit Körlings.

Der Arbeitnehmer ist seit 1983 bei einem Unternehmen tätig, das Technologien entwickelt und Dienstleistungen im Bereich der Infrastruktur für Telekommunikation erbringt. Das Unternehmen ist Teil eines Konzerns und hat seinen Sitz in Berlin. Der Arbeitnehmer ist mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Zum 1.6.2016 gliedert das Unternehmen aufgrund eines mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Interessensausgleiches einen Bereich aus. Der Bereich Kundendienst/Customer wird in eine Tochtergesellschaft übertragen. Die Organisationseinheit, der der Kläger angehört, verbleibt aber bei der Beklagten. Mit weiterer Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat wurde die Schließung des Standortes Berlin beschlossen. Schwerbehinderte Arbeitnehmer sollen entsprechend ihrer Position gleichwertige Arbeitsplätze im Konzern angeboten erhalten.

Versetzung nach Ulm und Telearbeit angekündigt

Die Arbeitgeberin hat daher dem Kläger ein mit »Versetzung« überschriebenes Schriftstück übermittelt, nach welchem er ab dem 01.06.2019 in Ulm arbeiten soll. In der Zwischenzeit von etwas mehr als zwei Jahren sollte er in Telearbeit tätig sein. Dies lehnte der Kläger ab. Er verweigert auch die Erstellung von Berichten im Rahmen der Telearbeit. Die Beklagte kündigt ihm sodann außerordentlich wegen »beharrlicher Arbeitsverweigerung«. Diese Kündigung erklärte das LAG Berlin-Brandenburg für unwirksam.

Leistungsbestimmungsrecht hat Grenzen

Ein Weisungsrecht des Arbeitgebers, eine Tätigkeit im Home-Office zu erledigen, besteht nicht. Nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) kann der Arbeitgeber nicht nur Inhalt und Zeit, sondern auch den Ort der Arbeitsleitung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Die Grenzen ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag. Dem Kläger wurde einseitig Telearbeit zugewiesen. Eine Arbeitsvertragsänderung gab es nicht. Da der Kläger immer in Berlin gearbeitet hat, hat die Beklagte das Weisungsrecht überschritten. Schon die Anweisung, in Telearbeit tätig zu werden ist daher unwirksam.

Der Kläger hat immer in Berlin gearbeitet. Eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsortes erfolgte nicht. Die Vereinbarung mit dem Betriebsrat sah das Angebot an schwerbehinderte Arbeitnehmer vor, auf einem anderen Arbeitsplatz und auch an einem anderen Ort zu arbeiten. Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg konnte der Arbeitnehmer aber nicht gezwungen werden, dieses Angebot anzunehmen.

Praxistipp

Home-Office, Fluch und Segen

Das Arbeiten im Home-Office ist mit der Arbeit im Betrieb nicht vergleichbar. Der Arbeitnehmer verliert den Kontakt zu den Kollegen. Die Möglichkeit sich mit diesen auszutauschen, wird deutlich eingeschränkt. Die Grenzen von Arbeit und Freizeit werden fließend. Es kann sogar zu einer unkontrollierten Mehrarbeit kommen. Der Arbeitnehmer ist für den Betriebsrat und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaft schwer erreichbar. Er ist zwar in der Lage Arbeit und Familie besser zu vereinbaren. Dieser tiefgreifende Wechsel in den Arbeitsbedingungen kann aber nicht durch eine einseitige, vom Arbeitnehmer nicht gewollte Anordnung des Arbeitgebers erfolgen.

Zumutbarkeit bei Schließung einer Betriebsstätte

Vielfach werden Leistungen wie eine Abfindung im Sozialplan davon abhängig gemacht, ob dem Arbeitnehmer die zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz oder an einem andren Ort angeboten worden ist. Bei Sozialplanverhandlungen sollten Sie versuchen, so genau wie möglich zu definieren, was »zumutbar« ist, auch im Hinblick auf den Ort. Dies kann aus den oben genannten Gründen nicht für Telearbeit gelten. Ob dies aber angesichts der Technisierung in Zukunft weiterhin so sein wird, ist fraglich.

Außerordentliche Kündigung nur als letztes Mittel

Das Arbeitsverhältnis kann gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Zunächst wird geprüft, ob das Verhalten typischerweise geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Danach ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber angesichts der konkreten Umstände des Falles, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann, so das Bundesarbeitsgericht (BAG 23.8.2018 – 2 AZR 235/17).

Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers seine arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, rechtfertigt regelmäßig eine außerordentlichen Kündigung (BAG 28.6.2018 – 2 AZR 436/17). War die Weisung wie hier jedoch rechtswidrig, fehlt es an einem wichtigen Grund für die Kündigung.

Margit Körlings, DGB Rechtsschutz GmbH

Quelle

LAG Berlin-Brandenburg (10.10.2018)
Aktenzeichen 17 Sa 562/18
Diese Entscheidungsbesprechung erhalten Sie als Teil des Newsletters AiB Rechtsprechung für den Betriebsrat vom 30.1.2019.
AiB-Banner Viertel Quadratisch - Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

Inklusion Familie Rollstuhl Behinderung Gleichstellung Sonnenuntergang Gruppe
Rehabilitation - Aus den Fachzeitschriften

20 Jahre BEM

Dollarphotoclub_82076822
Tarifliche Ausschlussklausel - Rechtsprechung

Inflationsausgleichsprämie während der Altersteilzeit?