Kellnerin muss sich Trinkgelder nur zum Teil anrechnen lassen

Darum geht es
Die als Servicekraft in der Gastronomie tätige Klägerin ergänzt ihr Erwerbseinkommen mit Arbeitslosengeld 2 ("Hartz IV"). Aus dieser Tätigkeit bezieht sie neben ihrem Lohn Trinkgeld in Höhe von 25 Euro monatlich. Jobcenter und Landessozialgericht (LSG) wollten diese Einnahme voll auf die Aufstockungsleistung anrechnen.
Das sagt das Gericht
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat entschieden, dass Trinkgelder erst ab einem Betrag von 44,60 Euro auf die Ergänzungsleistung anrechenbar ist.
Anders als vom beklagten Jobcenter und dem LSG angenommen, handele es sich bei dem Trinkgeld nicht um Erwerbseinkommen. Das Trinkgeld sei vielmehr eine Zuwendung, die Dritte erbringen, ohne dass dafür eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung besteht.
Hieraus folge, dass es erst dann als Einkommen bei der Berechnung der Leistung zu berücksichtigen ist, wenn es die Lage der Leistungsberechtigten so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wäre. Dies war vorliegend nicht der Fall.
Nach Auffassung des BSG Trinkgeld kann sich bei der Berechnung des Alg II auf die Leistungshöhe grundsätzlich nur dann mindernd auswirken, wenn es 10 Prozent des Regelbedarfs - das wären derzeit ca. 44,60 Euro - übersteigt.
Hinweis auf Rechtsvorschriften
Auszug aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)
§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II - Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld … mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen…
§ 11a Abs 5 SGB II - Nicht zu berücksichtigendes Einkommen
(5) Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit
1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
Quelle
Aktenzeichen B 7/14 AS 75/20 R
BSG, Pressemitteilung vom 13.7.2022