Arbeitsrecht der Kirchen

EuGH lockert Bekenntniszwang für kirchliche Jobs

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Quelle: © babelsberger / Foto Dollar Club

Verlangt eine Kirche, dass Stellenbewerber einer bestimmten Religion angehören müssen, können Arbeitsgerichte im Einzelfall prüfen, ob diese Forderung diskriminierend ist. Die Kirchen dürfen nur dann ein bestimmtes christliches Bekenntnis verlangen, wenn dies für die Tätigkeit sachlich geboten und verhältnismäßig ist – so der Europäische Gerichtshof.

Die Klägerin Frau Egenberger bewarb sich auf eine Stellenausschreibung des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung. Das Werk hatte eine befristete Referentenstelle für das Projekt »Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention« ausgeschrieben. In der Stellenanzeige hieß es, dass die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt würden. Die Konfession sollte im Lebenslauf angegeben werden.

Knapp 10.000 Euro Entschädigung gefordert

Frau Egenberger, die konfessionslos ist, wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Da sie der Meinung ist, sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten, sieht sie sich aus religiösen Gründen diskriminiert. Daraufhin verklagte sie das Evangelische Werk für Diakonie auf Entschädigung in Höhe von 9.788,65 Eur Euro nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hatte die Klage abgewiesen.

BAG legt die Frage dem EuGH vor

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter haben den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 ersucht. Auf dieser Richtlinie beruht auch das deutsche AGG. Das BAG legte dem EuGH die Frage vor, ob ein Arbeitgeber wie das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung oder die Kirche, auf die er sich bezieht, verbindlich entscheiden kann, ob und wann eine Stellenausschreibung eine bestimmte Religion als Voraussetzung verlangen darf. (BAG, 17.3.2016 - 8 AZR 501/14 (A)).

Generalanwalt hält kirchliche Anforderungen für überprüfbar

Generalanwalt Tanchev hat in seinen Schlussanträgen vom 9. November 2017 die Ansicht vertreten, dass berufliche Anforderungen, die von religiösen Organisationen gestellt würden, der gerichtlichen Überprüfung unterlägen, wenn gegen sie der Vorwurf einer rechtswidrigen Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung erhoben werde (siehe Pressemitteilung Nr. 117/17).

EuGH: Rechtsschutz gegen kirchliche Diskriminierung

In diesem Sinne entschied auch die Große Kammer des EuGH: Zwar dürfen die Kirchen auch an Stellenbewerber religiöse Anforderungen stellen, aber nur, wenn die Religion nach Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine »wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche« darstellt. Das bedeutet, dass es Fälle geben kann, in denen keine bestimmte religöse Zugehörigkeit sachlich geboten ist. Ob dies der Fall ist, können die Arbeitsgerichte im Einzelfall überprüfen.

Die Richter stellten zunächst fest, dass nach der Antidiskriminierungsrichtlinie zwei Rechte gegeneinander abzuwägen sind. Auf der einen Seite steht die Autonomie der Kirchen und anderer religiöser und weltanschaulicher Organisationen, also das Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln und Arbeit und Organisation nach ihren religiösen Grundsätzen auszurichen. Auf der anderen Seite steht das Recht der Arbeitnehmer und Stellenbewerber auf Schutz vor Diskriminierungen, wie es die Richtlinie 2000/78/EG garantiert.

Rechtsschutz für Arbeitnehmer

Nach Auffassung des Gerichtshofs müssen im Fall eines Rechtsstreits innerstaatliche Gerichte diese Abwägung vornehmen können. Beruft sich eine Kirche oder andere Organisation darauf, dass bei einer Stelle die Religion nach Art und Umständen der Tätigkeit eine wesentliche,rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, müssen die Arbeitsgerichte dieses Vorbringen im Einzelfall überprüfen, also z. B. durch eigene Abwägung, Anhörung von Zeugen oder Sachverständigen.

Das vom Arbeitnehmer angerufene Gericht muss sich vergewissern, dass die in der Richtlinie  für die Abwägung der gegebenenfalls widerstreitenden Rechte genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind. Wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass ein Arbeitnehmer bei der Einstellung wegen seiner Religion oder Weltanschauung diskriminiert wurde, kann es ihm einen angemessenen Ausgleich zuerkennen, in diesem Falle also Schadenersatz oder eine Entschädigung nach dem AGG.

BAG setzt das Verfahren fort

Ob die Klägerin in diesem Verfahren diskriminiert wurde und Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG hat, weil das Evangelische Werk für Diakonie in der Stellenausschreibung zu Unrecht die Zugehörigkeit zu einem christlichen Bekenntnis verlangt hat, muss das Bundesarbeitsgericht nun im weiteren Verfahren entscheiden.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

EuGH (17.04.2018)
Aktenzeichen C-414/16 (Egenberger)
EuGH, Pressemitteilung vom 17.4.2018
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