Mitarbeitervertretung

Kirchliches Vergütungsverbot für MAV ist nicht verbindlich

07. Mai 2021
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Quelle: magele_Dollarphotoclub

Betriebsräte und Personalräte üben ihr Mandat unentgeltlich aus - so ist es gesetzlich bestimmt. Das gilt auch für die kirchliche Mitarbeitervertretung (MAV). Allerdings kann der Arbeitgeber sich nicht auf das kirchliche Verbot berufen, um einem freigestellten MAV-Mitglied sein Gehalt vorzuenthalten - so nun das Arbeitsgericht Aachen.

Darum geht es

Der Arbeitgeber ist Mitglied im Diakonischen Werk und betreibt Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren. Der Kläger in diesem Verfahren war in einem dieser Krankenhäuser seit 1981 als Arzt beschäftigt. Er war seit 1988 Mitglied, ab 1992 Vorsitzender der dort gebildeten Mitarbeitervertretung (MAV).

2009 wechselte der Kläger in ein vom gleichen Arbeitgeber betriebenes medizinisches Versorgungszentrum. Dort war er zuletzt als Oberarzt in der Gefäßchirurgie beschäftigt. Mit dem Krankenhaus blieb er weiterhin aufgrund von Verträgen mit reduzierter Arbeitszeit und reduzierter Vergütung verbunden und blieb weiterhin Vorsitzender der MAV.

Im September 2020 stellte der Arbeitgeber die Vergütungszahlungen an den Kläger ein. Er berief sich darauf, dass die den Zahlungen zugrunde liegenden Verträge nur die Tätigkeit des Klägers in der Mitarbeitervertretung hätten ermöglichen sollen. Da diese nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) nur unentgeltlich möglich sei, seien die Verträge nichtig.

§ 19 Abs. 1 Satz 1 MVG-EKD lautet: "Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung üben ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt aus."


Das sagt das Gericht

Das Arbeitsgericht Aachen entschied, dass dem Kläger die vorenthaltene Vergütung, immerhin rund 52.000 Euro, zusteht. Der Arbeitgeber kann sich nicht auf die Nichtigkeit des Vertrags berufen. Nach § 134 BGB ist ein Vertrag nichtig, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Allerdings stellt, so das Gericht, die rein kirchenrechtliche Regelung dass § 19 MVG-EKD kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar.

Die im Rahmen der Privatautonomie geschlossenen Arbeitsverträge hätten rechtlich Vorrang. Die Vorschrift aus dem MVG-EKD sei Bestandteil der kirchlichen Ordnung, deren Aufrechterhaltung nicht Aufgabe der staatlichen Arbeitsgerichte sei. Auch eine Sittenwidrigkeit der vertraglichen Regelungen verneinte das Arbeitsgericht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung kann Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Hinweis für die Praxis

Das Verbot einer Bezahlung im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht solll sicherstellen, dass Beschäftigte ihr Mandat in der Interessenvertretung unabhängig vom Arbeitgeber ausüben. Gleiches gilt auch für die kirchlichen Mitarbeitervertretungen. Das Arbeitsgericht wendet jedoch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, wonach kirchengesetzliche Vorschriften keinen Vorrang vor einem privautonom geschlossenen Arbeitsvertrag haben.

Das mag aus Sicht eines ehrenamtlichen Betriebsrats- oder Personalratsmitglieds befremdlich wirken. Allerdings hebt auch das ArbG Aachen hervor, dass es in dem Rechtsstreit nicht darum ging, dem Kläger eine -kirchlich verbotene- Bezahlung für seine MAV-Tätigkeit zu verschaffen. Der Wechsel des Klägers vom Krankenhaus ins Medizinische Versorgungszentrum machte einen neuen Arbeitsvertrag erforderlich, um bestimmmte Vorgaben des Krankenkassenrechts einzuhalten.

Dabei nahmen die begleitenden Vereinbarungen unterschiedlichen Bezug auf die MAV-Tätigkeit und die dafür erfolgte Freistellung des Klägers. Dass der Arbeitgeber dann bei der späteren Auseinandersetzung efolglos versucht hat, deshalb das Gehalt des Klägers einzubehalten, darf dann wohl als "Fehlschuss" gelten.

© bund-verlag.de (ck)

Quelle

ArbG Aachen 26.03.2021 - (26.03.2021)
Aktenzeichen 6 Ca 3433/20
ArbG Aachen, Pressemitteilung vom 4.5.2021
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